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HEYES Woche: Der verschobene Abi-Ball

Man lernt doch immer dazu. Vor allem natürlich als Abiturientin resp.

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Man lernt doch immer dazu. Vor allem natürlich als Abiturientin resp. Abiturient. Bei denen ist die Festplatte ja noch ziemlich leer. Jedenfalls, wenn es um Lebenserfahrung geht. Beispielsweise die Erfahrung, dass sich auch im Internet Gauner und Betrüger tummeln. Da kann man noch so ein Ass sein, Physik- und Matheformeln im Traum runterbeten und die deutschen Dichter und Denker wie Perlen auf der Erinnerungsschnur parat haben. Das hilft nicht, wenn man „Easy Abi“ übers Internet gebucht hat – und dann vor den Trümmern eines Traums vom rauschenden Abi-Ball steht. Alles nicht billig, aber zum Festpreis, inklusive toller Deko, Spitzen-Catering und natürlich Live-Musik und Unterhaltung im Ballsaal; das alles an schicker Adresse. Damit kann niemand rechnen: Dass die Anbieter dieses Ball-Traumes die vierstellige Kaufsumme einfach einstreichen und das Weite suchen.

Mehr als 30 Berliner und Brandenburger Schulen wurden so geprellt. Die Abendrobe für die jungen Damen, so lernen wir als Zeitungsleser, kommt noch obendrauf. Da werden die betuchten Eltern schon nicht knausern. Der Friseur ist auch gebucht, der passende Schmuck ist im Schmuckkästchen. Und für Ihn die Leihgebühr für den Smoking. Da kommt was zusammen.

Hartz IV-Empfänger, trotz der letzten Steigerung um fünf Euro, können doch froh sein, dass ihre Kinder mehrheitlich vor einer Schulkarriere bis zum Abi bewahrt wurden. Das schont den leeren Geldbeutel. Man sieht, wie segensreich frühzeitige soziale Selektion sein kann: So werden arme Eltern vor einem Schuldenberg bewahrt, vor dem jetzt mehrere Tausend Familien in Berlin und Brandenburg stehen.

Die Idee für diese Abiturfeiern brachten Austauschschüler aus den USA mit; aber vielleicht führen die Erfahrungen der geprellten Schülerinnen und Schüler ja dazu, den Abi-Ball Marke Eigenbau zu beleben? Die durch „Easy Abi“ frisch erworbene Lebenserfahrung kann dafür nur nützlich sein. Wie wäre es mit dieser Alternative: Einfälle und Lösungsmöglichkeiten sammeln, zusammen gute Ideen in die Tat umzusetzen, zu improvisieren und zu erleben, dass nicht immer teuer ist, was Spaß macht dazu die sichere Gewissheit, dass dieser Abi-Ball 2011 zu einem unvergesslichen Erlebnis wird: Genug Stoff für die Abizeitung bietet das allemal. Und dazu vielleicht noch die letzte Lektion der Schulkarriere: Nicht für die Schule, fürs Leben lernen wir.

Uwe-Karsten Heye schreibt an dieser Stelle regelmäßig für die PNN. Unser Autor war Redenschreiber bei Willy Brandt und Regierungssprecher von Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder. Heute lebt Heye mit seiner Familie in Babelsberg und arbeitet dort als Autor und Publizist.

Uwe-Karsten Heye

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