Landeshauptstadt: Der wirkliche Prinzenspielplatz
Bemühungen um die Freilegung des Modellforts in Sanssouci gehen in eine neue Runde
Stand:
Mit einer laut Medienbericht „sensationellen Entdeckung“ hat die Arbeitsgemeinschaft Modell-Fort Sanssouci e.V. die Bedeutung des Modellbauwerks, das im November 2004 durch die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten zugeschüttet worden war, als Denkmal der Militärgeschichte erhärtet. Der Cottbuser Festungsexperte Volker Mende habe im nördlichen Heckengarten am Neuen Palais den heute ebenfalls von Rasen bedeckten „wirklichen Prinzenspielplatz“ gefunden, mit dem das Fort in der Vergangenheit häufig verwechselt wurde. Außerdem habe es ganz in der Nähe einen zweiten Spielplatz dieser Art gegeben. Beide seien zurzeit Wilhelms I. angelegt worden.
Für sensationell hält Gartenkustos Gerd Schurig diese Nachricht allerdings nicht. Die Spielplätze wurden bereits ab 1864 im Auftrag der Kronprinzessin Victoria, die mit ihrem Gemahl Friedrich Wilhelm (später Kaiser Friedrich III.) im Sommer das Neue Palais bewohnte, für die Prinzen durch Hofgärtner Emil Sello geschaffen. Aus dem Jahr 1873 gibt es eine Schilderung des Mitglieds des Potsdamer Geschichtsvereins H. Wagener, wonach „im düsteren Grün der Tannen der Bolzenschießplatz mit Schießgraben und Schießhütte angelegt“ ist. Nicht weit davon befanden sich hinter einem Gebüsch „eine nach Vorschrift im richtigen Winkelmaß angelegte Schanze, dort eine zerstörte Lünette, dort ein Graben mit Pallisaden, Schanzenkörbe, fertige und unvollendete Laufgräben, im Zickzack fortschreitend “ Über diese beiden Militärspielplätze gibt es zahlreiche Veröffentlichungen, letztmals durch Jörg Wacker in „Wege zum Garten“ (2004).
Im 1772 von Hofgärtner Friedrich Zacharias Saltzmann vorgelegten Gesamtplan des Parks Sanssouci hat Volker Mende eine Einzeichnung gefunden, die auf eine Fortifikation hindeutet. Das kann Gerd Schurig zwar nicht bestätigen, überliefert ist jedoch, dass König Friedrich II. auf der Meiereiwiese (dem Gelände, das sich hinter dem gelben von der Gartendirektion genutzten Gebäude Richtung Teehaus hinzieht) kleinere militärische Übungen abhalten ließ. Unbestritten bleibt Mendes Hinweis, dass Wilhelm I. als Kronprinz im Park Babelsberg auf dem heute von der Universität genutzten Geländeteil Schanzen für solche Übungen anlegte.
Arge-Vorsitzender Peter Feist zieht daraus den Schluss, dass wie anderswo auch in Potsdam die Gartenkunst mit dem Bau von Fortifikationsanlagen verbunden war und dieses historische Erbe gepflegt werden müsse. Dabei komme dem 1893 durch den Krupp-Angestellten Oberstleutnant a. D. Julius Diener entworfenen und von Hofpolier August Altendorf ausgeführten Miniaturfort besondere Bedeutung zu. Es war nämlich kein Spielplatz, sondern diente als 1:10-Modell der Erprobung neuartiger Befestigungsanlagen aus Beton und Stahl (Panzerfortifikation), die dem Beschuss durch die damals entwickelten so genannten Brisanzgranaten mit hoher Sprengkraft widerstehen sollten. Es diente vor dem Ersten Weltkrieg mehrfach als Vorlage für Festungsbauten. Nach Erkenntnissen des Fortifikationsforschers Raymond Decker aus Metz, die er kürzlich auf einem Urania-Kolloquium in Potsdam vortrug, griff Frankreich beim Bau der Maginot-Linie darauf zurück.
Zwischen dem Modellfort-Verein und der Stiftung Schlösser und Gärten hatte es nach der Zuschüttung des Bauwerks heftige Kontroversen gegeben. Der Vorstand verlangte die „sofortige und bedingungslose Beseitigung des unförmigen Erdhaufens über dem Denkmal“ und sammelte dafür Unterschriften, darunter auch die des damaligen Bundesverkehrsministers Manfred Stolpe. Außerdem legte er Beschwerde beim Landesdenkmalamt ein.
Der neue Stiftungs-Gartendirektor Michael Rohde will nun auf den Verein zugehen und hat dem Vorsitzenden Peter Feist ein Gespräch angeboten. Die Zuschüttung sei gerechtfertigt gewesen, um die vandalistischen Angriffen ausgesetzten Reste des Forts zu sichern. Der Gartendirektor schloss eine Wiederfreilegung des Parkbauwerks nicht aus, für eine Sanierung und Teilrestaurierung müsse aber die Modellfort-AG die Finanzierung übernehmen, denn die könne von der Stiftung nicht geleistet werden.
Peter Feist hat inzwischen auf einer internationalen Fachtagung der Festungsforscher in Magdeburg ein Konzept zur Wiederherstellung des Sanssouci-Forts vorgetragen. Er sieht die Freilegung und die Sicherung des Bauwerks durch einen vertieften Umgang, einen Zaun, einen Erdwall, eine Laufbrücke oder einer Holz- bzw. Metallwand mit Sichtfenstern vor. All diese Varianten würden allerdings einen Eingriff in die durch Lenné gestaltete historische Parklandschaft bedeuten.
Erhart Hohenstein
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: