
© Manfred Thomas
Von Peer Straube: Der Wundenheiler
Elf Jahre war Michael Seiler Gartenchef der Schlösserstiftung. Jetzt ehrte ihn die Urania
Stand:
Angemessener kann ein Gärtner kaum wohnen. Seit über 30 Jahren ist das Kastellanhaus auf der Pfaueninsel Residenz von Michael Seiler, dem früheren Gartendirektor der Schlösserstiftung. Und wie könnte es anders sein, atmet das Gebäude aus jeder Pore den Geist seines Bewohners. Der Wintergarten ist voll von Kakteen, Palmen, Gummi- und Affenbrotbäumen. Gleich am Eingang begrüßt den Besucher eine eindrucksvolle Bildergalerie der Gartenbaukunst. Ein Luftbild hat es Seiler besonders angetan. Es zeigt das französische Schloss Vaux-de-Vicomte mit seinem prächtigen Barockgarten. „Das ist noch schöner als Versailles“, schwärmt der 70-Jährige.
Seilers Verdienste um die „populärwissenschaftliche Vermittlung gartenbauhistorischer und kulturgeschichtlicher Kenntnisse im Zusammenhang mit Gärten und Parkanlagen“ haben ihm nun, fünf Jahre nach seinem Ruhestand, den Wilhelm-Foerster-Preis der Urania eingebracht. Gestern erhielt er ihn bei einem Festempfang im Nikolaisaal aus den Händen von Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD). Eigentlich ist Seiler keiner, der gern im Rampenlicht steht. Es gibt frühere Kollegen bei der Schlösserstiftung, die ihn „etwas scheu“ nennen. Doch diesen Preis hat er akzeptiert. „Alles, womit ich für die Sache der Gärtner werben kann, nehme ich gerne an“, sagt Seiler schmunzelnd.
Alles Grüne hat dem gebürtigen Charlottenburger schon als Kind Vergnügen bereitet. „Meine ersten Bücher waren Pflanzenbücher“, erzählt er. Eigentlich hatte er Forschungsreisen machen wollen wie Alexander von Humboldt, „doch so viel Geld hatten wir nicht“. So entscheidet sich der junge Mann, Geodät zu werden, Feldmesser. „Da konnte ich mir wenigstens die Landschaft angucken.“ Doch schließlich studiert er doch noch Gartenlandschaftsbau. Ende der 70er Jahre wird Seiler Herr über „den begrenzten Umfang der Westberliner Schlossgärten“ und Oberkustos der Pfaueninsel. Da lernt er bereits seine Potsdamer Kollegen kennen, deren Gärten im Schatten der Grenze ein Mauerblümchendasein fristen. Er habe die „verrückte Situation“ erlebt, wie Karl Eisbein, der langjährige Chef des Babelsberger Parks, neben den Grenzanlagen „Blümchen pflanzte“, erzählt Seiler. „Grenzverhöhnung“ nennt er das vergnügt.
Als die Wende kommt, lockt die Aussicht, Lennés Erbe anzutreten und für alle Parks und Gärten der Preußenkönige verantwortlich zu sein. Seilers Chance kommt 1993, als der alte Gartenchef seinen Hut nimmt. Seilers Ära als Gartendirektor ist geprägt von Wundenheilung. Knapp 40 Hektar Grenzanlagen pflanzt und sägt er nach und nach wieder in den historischen Zustand zurück, legt zugewachsene Sichtachsen frei. Was nicht jeden freut. Immer wieder gibt es Widerstände von Umweltschützern. „Ich bin kein Baummörder“, sagt er. Doch sei ein Garten nun mal „gestaltete Natur“, die sich im Übrigen am Besten zu Fuß erkunden lasse. Aus seiner Abneigung gegen das Fahrradfahren in den Schlossparks macht Seiler auch heute keinen Hehl. Die Freigabe bestimmter Strecken für Drahtesel ist naturgemäß auch erst nach dem Ende seiner Amtszeit erfolgt. „Damit kann ich aber leben“, sagt er.
Auch fünf Jahre nach seinem Abschied wird Seilers Leben von seiner Passion bestimmt. Er hält Vorträge über Gartenbaukunst, bietet Führungen an und pflegt als Mitbegründer und Vorsitzender der Pückler-Gesellschaft das Erbe des adligen Lenné-Widersachers. „Den Rest meiner Tage“ will er darauf verwenden, für die Schönheit des Landschaftsgartenbaus die Werbetrommel zu rühren. In einem Museum sehe man bei jedem Besuch die gleichen Bilder oder Skulpturen. „Ein Garten dagegen ist immer neu und frisch. Ob im Frühling, Sommer, Herbst oder Winter – jedes mal sieht man etwas anderes.“
Und Seiler will noch ein Projekt beenden, für das er in seinen elf Jahren als Gartendirektor schlicht keine Zeit hatte. Es ist ein Buch über die Gartengeschichte seiner Heimat. Die Pfaueninsel.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: