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Landeshauptstadt: Der Zuhörer

Der Potsdamer Drews Kiep bietet eine ganz besondere Dienstleistung an: Er leiht Fremden sein Ohr

Stand:

Er wartet. Drews Kiep wartet auf Menschen, die reden wollen. Denn Drews Kiep will zuhören. Zuhören, das ist seine Aufgabe. Er hat dafür ein Büro eröffnet. „BialLa – Das Zuhörbüro“ steht an der Klingel in der Geschwister-Scholl-Straße 83. Noch hat sie niemand gedrückt. Aber das Büro existiert ja auch erst seit diesem Monat. Und weil es das erste Zuhör-Büro Deutschlands überhaupt ist, hat Drews Kiep den Begriff patentieren lassen.

BialLa steht dabei für Beratung in allen Lebenslagen. Und wozu braucht Potsdam BialLa – das Zuhörbüro? In unserer Zeit gebe es viele Menschen, die gar keine Zeit und Kraft mehr haben, intensive Freundschaften zu pflegen, zum Beispiel wegen ihrer Arbeit, sagt Drews Kiep. „Heute haben viele nur noch Bekannte.“ Wem man da sein Herz ausschütten solle, wenn man mal ein Problem habe, fragt Kiep. Er gibt auch gleich die Antwort: „Entweder man kämpft allein damit oder man setzt sich in die Kneipe und erzählt alles dem Wirt hinterm Thresen.“ Natürlich gebe es ja noch die Experten – „Psychologen, Theologen, Anwälte“ – aber da wolle man ja nicht wegen jedes Problems hin. Kieps Ohr ist offen für alles: für Trauer um einen Menschen, für Eheprobleme, für Trennungsschmerz , Fragen zur Karriere oder für den Streit mit den Nachbarn oder Kollegen.

Das Zuhörbüro ist übersichtlich: ein Tischchen, auf dem eine Schale mit Gummibären steht und ein Blumenstrauß, zwei Sessel. Auf denen sitzen sich jetzt Drews Kiep und seine Frau Regina gegenüber. Die beiden haben auch zwei Bilder aufgehängt, um den engen Raum gemütlicher zu machen. „Wir haben uns extra einen ganz kleines Büro gesucht, das möglichst wenig Miete kostet“, sagt Drews Kiep. „Wir wollen nicht auf Klienten angewiesen sein“, ergänzt seine Frau.

So ganz aufmerksam zuhören kann die 43-Jährige gerade nicht. Auf ihrem Schoß sitzt Baby Carolina. Es ist nur still, wenn Mama es hin und her wippt. Nach der Babypause will Regina Kiep ihrem Mann im Zuhörbüro helfen. Neben ihrem Job als Personalchefin bei der Polizei. Und wieso glauben die beiden , dass ausgerechnet sie die Richtigen für ein Zuhörbüro sind? „Wir haben irgendwann gemerkt, dass unsere Freunde immer mit uns über ihre Probleme sprechen“, sagt Drews Kiep. Wer also seine Sorgen nicht in die nächste Kneipe tragen möchte, der kann jetzt in Kieps Zuhörbüro gehen – das ist übrigens auch preiswerter als der Gang zum Experten. Eine Stunde Zuhören bei Kiep kostet 35 Euro, ein Psychologe zum Beispiel rechnet pro Stunde um die 60 Euro ab. „Ich bin ja auch kein Experte“, sagt Kiep. Wenn er merken würde, dass seinem Klienten aber nur noch ein solcher helfen könnte, würde er ihm raten, sich an einen entsprechenden Fachmann zu wenden.

Gegenüber diesen hat das Zuhörbüro aber einen weiteren Vorteil: Kiep hat auch nachts Zeit für seine Klienten. Jeden Tag ab 15.30 Uhr ist der 44-Jährige bereit für sie. Dann hat der ehemalige Schulleiter, der jetzt bei der Landesverwaltung arbeitet, Feierabend. Wer dann einen Zuhörer braucht, muss nur bei Kiep anrufen. Der benötigt lediglich 15 Minuten von der eigenen Wohnung zum Büro. „Stellen Sie sich vor, Sie hatten eine ganz blöde Auseinandersetzung mit ihrem Chef und müssten ihm am nächsten Morgen wieder begegnen“, erklärt Kiep, „dann können Sie nicht bis zum nächsten Tag warten“. Bei Kiep müssen die Kunden dann einen Vertrag unterschreiben: Sie zahlen und Kiep hört dafür zu, wahrt Stillschweigen und vor allem verpflichtet er sich zur Ehrlichkeit. Es helfe schließlich den Klienten nicht, wenn er ihnen zu Munde rede, erklärt Kiep. Mit dem Büro hat er sich einen alten Traum verwirklicht. Er habe sich gesagt: Jetzt oder nie. Seine Freunde fanden die Idee gut, sagt er. Aber sie haben ihn auch gefragt, ob sie jetzt auch für ihre Gespräche zahlen müssten. Müssen sie nicht.

Juliane Wedemeyer

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