Grottensaal im Neuen Palais: Des Kaisers bunte Kristalle
24 000 Steine, Kristalle - und womöglich zwei Meteoritensplitter - lagern im Grottensaal des Neuen Palais. Derzeit werden sie auf ihre Herkunft untersucht, für Besucher wird die Sammlung erst im Jahr 2014 wieder geöffnet.
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Potsdam - Der funkelnde Bergkristall war ein Geschenk der Zarin Alexandra Fjodorowna, den schwarzen Rauchquarz brachte Alexander von Humboldt von einer seiner Expeditionen mit und das weiße Marmorstückchen ist ein Andenken von König Friedrich III. an seine Reise nach Nikolsburg (heute Mikulov). Zu fast jedem der rund 24 000 Steine im Grottensaal des Neuen Palais gibt es eine Geschichte, die von Reisen, hohem Besuch oder prestigeträchtigen Einkäufen im Ausland erzählt. Doch nicht bei allen ist die Herkunft eindeutig geklärt. Deshalb untersucht derzeit ein Forscherteam von der Universität Potsdam den mehrere Hundert Quadratmeter großen Saal im Erdgeschoss des Schlosses.
Einer der Wissenschaftler ist Martin Ziemann vom Institut für Erd- und Umweltwissenschaften. Stolz präsentiert er eine sogenannte Ramansonde, ein von der Potsdamer Universität selbst entwickeltes Gerät. Ganz nah kann Ziemann mit dem Sensor, der auf einer Art rollendem Stativ befestigt ist, an die Wand heranfahren und die Steine mit einem Laserstrahl anleuchten. Anhand von Schwingungen im Inneren des Gesteins bestimmt das Gerät die Herkunft des Minerals. Dabei helfen kleine Einschlüsse, die in den Mineralien während ihres Wachstums entstehen, wie Ziemann erklärt. In einem Quarz im Grottensaal fand er so zum Beispiel eingeschlossenes Wasser, das auf einen Ursprung nahe Bad Gastein schließen ließ. Und tatsächlich lässt sich anhand von Dokumenten nachweisen, dass Kaiser Wilhelm I. (1797–1888) von einem seiner Kuraufenthalte in Österreich einen Mineral mitbrachte und im Grottensaal verbauen ließ.
Entstanden ist der Grottensaal 1765 bis 1769 unter Friedrich dem Großen. Schon damals ließ er den Raum mit Mineralien, Edelsteinen, Fossilien, Schnecken und Muscheln ausstatten. Die nachfolgenden Generationen ergänzten die Sammlung mit ihren eigenen Mitbringseln und Geschenken. Zum Beispiel ließ Kaiser Wilhelm II. (1859–1941) einen Stein von der Gipfelspitze des Kilimandscharo anbringen, den ihm der Leipziger Erstbesteiger Hans Meyer mitbrachte – heute ist davon allerdings nur noch eine Kopie zu sehen, das Original ist verschwunden. Ebenfalls von Kaiser Wilhelm II. stammt ein Mosaikstück vom angeblichen Grab Christi, das er von seiner Orientreise 1898 mitbrachte.
Mittlerweile sind durch die hohe Feuchtigkeit im Neuen Palais und Zerstörungen während des Zweiten Weltkriegs zahlreiche Steine beschädigt. Ihren genauen Zustand kann Ziemanns Kollege Uwe Altenberger bestimmen, der sich mit einer zweiten Apparatur im Grottensaal vorarbeitet. Er hält eine Art Stecker an den Stein und bekommt auf seinem Laptop unterschiedlich starke Ausschläge angezeigt. „Jedes Element hat typische Wellenlinien, so kann ich die Zusammensetzung des Materials bestimmen“, erklärt er. Gefahr stellten vor allem Salze dar, die die Kristalle regelrecht von innen sprengten.
Wichtige Vorarbeit für die Professoren hat ein Student der Potsdamer Uni geleistet. Der Geowissenschaftler Torsten Hippler zählte die Steine im Grottensaal, unterteilte sie in Kategorien und dokumentierte Schäden. An seinen Statistiken ist zum Beispiel abzulesen, dass der Quarz der am häufigsten vorkommende Stein ist. Auch Bernstein – vor der Eroberung Schlesiens der einzige Edelstein in Preußen – ist häufig vertreten. Weniger oft finden sich die wertvollen Feueropale oder Aquamarin-Kristalle. Geplant ist, Hipplers Erkenntnisse bald für eine Internet-Präsentation zusammenzutragen. Interessierte könnten dann in einem virtuellen Rundgang jeden Stein anklicken, um dessen Namen, Herkunft und die Verbindung zur preußischen Geschichte zu erfahren. Dort könnten auch die Ergebnisse der Wissenschaftler Ziemann und Altenberger einfließen. Doch bald müssen sie den Grottensaal vorerst räumen und ihn für Bauarbeiten freigeben. Die Decke hat über die Jahrhunderte unter der Last des darunterliegenden Marmorsaals gelitten und muss befestigt werden. Erst im Sommer 2014 wird der Grottensaal – übrigens auch für Besucher – wieder zugänglich sein. Dann wollen die Mineralogen weiterforschen. Vor allem zwei schwarze, walnussgroße Steine haben ihr Interesse geweckt: Schon lange gibt es Gerüchte, dass es sich dabei um Teile eines Meteoriten handelt, die aus der Kindersammlung von Kaiser Wilhelm II. stammen. Das wollen sie endlich beweisen – oder widerlegen.
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