
© Klaus-Dietmar Gabbert/dapd
Von Bernd Kluge: Deutlich weniger Fledermäuse
Frankfurts alte Brauerei gilt dennoch als eines der bedeutendsten Winterquartiere Deutschlands
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Frankfurt (Oder) - Norbert Bartels geübtem Blick entgeht nichts. Eine Lampe um den Kopf geschnallt, mustert er die Wände in den unterirdischen Gewölbekellern der Brauerei-Ruine im Zentrum von Frankfurt (Oder), späht in Ecken und Nischen, überprüft winzige Spalten mit einem Endoskop. Er ist auf der Suche nach schlafenden Fledermäusen, die sich während der kalten Jahreszeit hier einquartieren. Um zu erkennen, von welcher Art die im Schein der Taschenlampe sichtbar werdenden Hautflügler sind, muss Naturschützer Bartel immer wieder auf die Leiter steigen und die Tiere aus der Nähe betrachten. Die seit Kriegsende leerstehende Brauerei-Ruine gilt als eines der bedeutendsten Fledermaus-Winterquartiere in der Bundesrepublik.
In braunen Trauben aneinander gekuschelt, hängen Tausende der Tiere kopfüber von den Gewölbedecken, verstecken sich in Nischen, Spalten und Maueröffnungen. Die labyrinthartigen Gemäuer sind ruhig, da menschenleer, frostfrei und aufgrund zahlreicher Öffnungen gut durchlüftet.
„Noch vor Jahren hatten hier Zigarettenschmuggler ihren Umschlagplatz, suchten Kinder immer wieder ein Abenteuer“, erinnert sich Fledermaus-Betreuer Bartel, dessen Angaben nach sich Ende der 80er Jahre erstmals 200 Tiere zum Überwintern in dem Gemäuer einfanden. Seit sämtliche Eingänge mit verschließbaren Türen versehen sind, steigen die Überwinterungszahlen. Häufigster Vertreter ist hier seit Jahren das Große Mausohr. Die größte in Deutschland vorkommende Fledermaus-Art hat eine Flügelspannweite von 43 Zentimetern. Alljährlich im Januar werden die vom Aussterben bedrohten Wintergäste von Naturschützern akribisch gezählt. „Zwei Wasser, zehn Fransen, 16 Mausohr“, sagt Bartel und meint die verschiedenen Fledermausarten. Lutz Ittermann notiert die Angaben in einer Liste. Möglichst kein Tier soll unentdeckt bleiben. „Im Taschenlampen-Strahl braucht man schon ein geübtes Auge, um schnell durchzuzählen“, erklärt Bartel.
Ende vergangener Woche trugen die Naturschützer 1366 Fledermäuse von acht Arten in die Listen ein. Das sind rund 400 Tiere weniger als im Vorjahr. Während die Mausohr-Population mit 664 Tieren relativ stabil sei, seien vor allem kleinere Arten auffällig weniger vertreten, sagt Bartel. Er vermutet, dass das mit den Wetterextremen zu tun haben könnte. 2010 sei ein schlechtes Insektenjahr gewesen, was sich auf die Vermehrung der Fledermäuse ausgewirkt habe. Es könne auch sein, dass es wegen des frühen Wintereinbruchs nicht alle Tiere bis ins hiesige Winterquartier schafften. Die Frankfurter Winterherberge scheint auch bei ausländischen Fledermäusen immer beliebter zu werden. Anhand der Beringung identifizierten die Naturschützer schon tierische Schlafgäste aus Polen und Tschechien. „Leider werden Fledermäuse dort kaum beringt, sodass wir nicht wirklich wissen, wie viel Tiere aus dem Ausland stammen“, bedauert Bartel.
Auch wenn die Frankfurter Population von Jahr zu Jahr schwankt, sei das kein Grund zur Beunruhigung, sagen die ehrenamtlichen Experten. Ursache seien die Witterungsextreme. „Ist der Winter sehr mild, herrscht auch im Schlafquartier Bewegung, die Tiere fliegen raus, hängen sich woanders hin“, erläutert Bartel, der mit seinen Mitstreitern an diesem Wochenende noch sieben Außenquartiere von Frankfurt Ortsteilen bis Eisenhüttenstadt „durchzählt“. In langen Kälteperioden drängten sich hier weitaus mehr Schlafgäste, ergänzt Ittermann.
Aus artenschutzrechtlichen und bautechnischen Gründen ist das geschützte Winterquartier in der alten Brauerei laut Bartel auch künftig nicht öffentlich zugänglich. In Regie des Landschaftspflegeverbandes „Mittlere Oder“ soll aber das überirdische Brauerei-Areal zu einem Begegnungszentrum ausgebaut werden. Angedacht sind Führungen speziell für Schüler. Außerdem sollen Kameras installiert werden, um das Ein- und Ausfliegen der Fledermäuse beobachten zu können. EU-Fördermittel für das Projekt wurden nach Angaben der Fledermaus-Betreuer bereits beantragt.
Bernd Kluge
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