Aus dem GERICHTSSAAL: Dichtung oder Wahrheit?
Busfahrer soll 14-Jährige sexuell genötigt haben
Stand:
Zwei Piercings im Genitalbereich gibt Bernd B.* (52) vor Gericht zu. Er gesteht auch, der 14-jährigen Linda* davon erzählt zu haben. Niemals aber – so der einstige Busfahrer – habe er dem Mädchen seinen Intimschmuck am 10. Januar 2009 an der Haltestelle Bahnhof Golm präsentiert. Und er habe Linda knapp zwei Wochen später auch nicht genötigt, sein Glied zu berühren, als sie wieder einmal – statt die Schulbank zu drücken – in seinem Bus der Linie 697 spazieren fuhr. Doch genau das behauptet Linda, die damals im Sacrower Kinderheim lebte. Sie schilderte einem Erzieher den vermeintlichen Übergriff mit exakt den selben Details wie wenig später der Polizei.
„Linda hat öfter die Pause mit mir verbracht. Sie hat mir ihr Herz ausgeschüttet, wenn sie sich im Heim ungerecht behandelt fühlte. Da habe ich sie schon mal in den Arm genommen und getröstet. Ich habe ihr auch geraten, die Schule nicht mehr zu schwänzen“, erklärt Bernd B. zu Prozessbeginn. Linda habe Liebesbriefe in seinen Dienstrucksack geschmuggelt, ihm zur Weihnachtszeit einen Teddybären geschenkt. „Ich habe dem keine besondere Bedeutung zugemessen. Das war eine kleine Schwärmerei. So etwas ist anderen Kollegen auch schon passiert“, stellt er klar. „Im Nachhinein ist mir bewusst geworden, dass es ein Fehler war, Linda von den Piercings zu erzählen. Aber sie fand das echt cool.“
Linda soll als wichtigste Zeugin aussagen. Doch ihr Platz bleibt leer. Mittlerweile lebt sie in einer betreuten Jugendeinrichtung in Potsdam, muss nicht mehr mit dem 697er Bus zur Förderschule fahren. Ob sie die Ladung zum Prozesstermin erreicht hat, ist nicht sicher. „Linda steht gern im Mittelpunkt. Sie geht auf Leute zu, ohne Folgen abschätzen zu können“, berichtet der Erzieher, dem sich die damals 14-Jährige vor einem Jahr offenbarte. „Für mich war erstaunlich, dass der Bus öfter vor unserer Einrichtung hielt. Die Mädchen – nicht nur Linda – haben den Fahrern dann zugewinkt.“ Ob der Vorfall tatsächlich oder nur in Lindas Phantasie stattfand, könne er nicht sagen. Das Heim nahm die Dinge jedoch ernst, informierte Mutter sowie Jugendamt und erstattete Anzeige bei der Polizei.
„Mein Eindruck war, dass das Mädchen die Sache ziemlich locker gesehen hat“, erinnert sich der Kripo-Beamte Heiko H. (39) vor Gericht. „Linda hat bei der Befragung öfter mal gekichert oder gelacht. Auf alle Fälle war ihre geistige Reife nicht so ausgebildet, wie es sein sollte.“ Ohne sich selbst ein Bild von der Belastungszeugin gemacht zu haben, kann das Gericht kein Urteil sprechen. Die Vorsitzende vertagt die Verhandlung auf den 3. März. Dann soll auch ein psychiatrischer Gutachter gehört werden. (*Namen geändert.) Hog
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