
© Jan Kuppert
Sport: Die 160.000-Euro-Frage
Der SV Babelsberg scheint den Prozess gegen seinen ehemaligen Vermarkter gewinnen zu können. Zahlen wird er trotzdem müssen. Nur wann?
Stand:
München - Kann sich Fußball-Viertligist SV Babelsberg 03 (SVB) von dem Zehn-Jahres-Vertrag mit seinem ehemaligen Vermarkter Sportsman Group aus München lösen und dadurch Provisionszahlungen im sechsstelligen Bereich sparen? Oder waren beide Seiten am Ende gar keine Vertragspartner? Über die Rechtslage wird gestritten, nachdem der SVB im April 2013 kündigte. Am gestrigen Montag überraschte das Oberlandesgericht (OLG) München als zweite Instanz mit einem neuen Ansatz, der auch für andere Alt-Verträge des SVB Bedeutung haben könnte: Wenn Thomas Bastian als damaliges Vorstandsmitglied und Klaus Brüggemann als damals angestellter Geschäftsführer gemeinsam unterschrieben haben, könnte der Kontrakt unwirksam sein, die Klage der Sportsman Group gegen den SVB abgewiesen werden. Das Gericht riet, sich zu vergleichen.
Worum geht es? Im November 2011 schlossen der SVB und die Sportsman Group einen Vermarktungsvertrag für zehn Jahre. Er sollte die weltweite Vermarktung sämtlicher dem Beklagten zustehenden Werbe- und Marketingrechte umfassen. Dafür sollte die Sportsman Group dauerhaft zwei Vollzeit-Mitarbeiter einsetzen. Ihr Lohn: Bis zu 35 Prozent Provision, selbst wenn die Münchner selbst am konkreten Vertrag keinen Anteil haben, sowie bei Vertragsverlängerungen und Sachleistungen.
Welche Vorteile sollte der SVB haben? Mittel- und langfristig kommen eventuell Sponsoren, zu dem der Verein sonst keinen Kontakt hätte. Kurzfristig erhielt er eine signing fee, also eine Zahlung für den Vertragsabschluss, von 119000 Euro. Geld, das der ständig klamme Verein, der damals in der Dritten Liga spielte, dringend brauchte. Allerdings wurde schnell Kritik an den Münchnern laut, weil sie laut Darstellung des SVB nur 30 000 Euro akquiriert habe.
Warum kam es zum Rechtsstreit?
Der SVB sagte der Sportsman Group ab Juli 2012 nicht mehr, welche Sponsoren den Verein unterstützten. Deshalb klagte die Sportsman Group auf Auskunft, um seine Provision berechnen zu können. Die Sportsmen rechnen mit etwa 160<ET>000 Euro. Das Landgericht München gab der Auskunfts-Klage im Januar 2014 statt, gestern wurde die Berufung verhandelt.
Was sieht es das OLG anders?
Den Verein können aber nur diejenigen vertreten, die in der Satzung genannt sind – mindestens zwei genau bestimmte Vorstandsmitglieder sind laut Satzung nötig, fasste Richter Kilian Brodersen in der 100-minütigen Verhandlung zusammen. Diese Regel kann nur die Mitgliederversammlung ändern; der Vorstand eines Vereines kann aber keine generelle Vollmacht an Dritte (wie eben Klaus Brüggemann) erteilen und damit die Entscheidung der Mitglieder aushebeln, meint der Richter. Es ist ein Versäumnis, das nicht geheilt worden ist –<TH>nicht durch einen gemeinsamen Auftritt von Vorstand und Sportsmen bei einer Pressekonferenz. Und auch nicht dadurch, dass der Vertrag tatsächlich vollzogen, "gelebt", wurde, wobei sich beide Seiten stritten, ob es nur sieben Monate oder anderthalb Jahre funktionierte. Ein halbes Jahr sei zu kurz, meinte Richter Brodersen. Weil kein Vorstandsmitglied das Bewusstsein hatte, dass der Vertrag schwebend unwirksam ist, konnte er auch nicht nachträglich stillschweigend genehmigt werden.
Was sagen die Sportsmen?
Der SVB habe über anderthalb Jahre die Leistungen entgegengenommen, seine Mitarbeiter hätten Sponsoren betreut, eingeladen, sich mit ihnen getroffen, auch um die Vermarktung für die Folgejahre angeschoben. Sie vermuten, dass kein Geld da war, als die Provisionen für die Saison 2012/2013 bezahlt werden sollen - und dann aus juristischen Gründen versucht wird, nicht zu zahlen. Thomas Krohne, Sportsman-Geschäftsführer, hielt die Annahme, dass der Vorstand nicht informiert war, als "am gesunden Menschenverstand und an der Realität des Gewollten vorbei". Krohne ist zugleich Präsident des Deutschen Volleyball-Verbandes - und kennt somit beide Seiten. Jetzt wollen die Sportsmen, mit drei Mitarbeitern und zwei Anwälten bei der Verhandlung anwesend, Fakten zusammentragen, dass der Vorstand den Vertrag kannte oder Brüggemann eine spezielle Vollmacht erteilt hat. Brüggemann wurde schon als möglicher Zeuge benannt, ebenso Ex-Vorstand Frank Walter-von Gierke. Das Gericht wird am 22. September entscheiden - ein Urteil ist ebenso denkbar wie eine Zeugenvernehmung.
Nützt die Unwirksamkeit des Vertrages dem SV Babelsberg?
Klar ist: zahlen muss der SVB letztlich, nur wie viel und wie lange ist offen – entweder Provision oder ersparte Aufwendungen. Die Sportsman Group nannte gestern 400<ET>000 Euro netto, die sie bezahlt haben will: Für zwei qualifizierte Arbeitskräfte, die sie 18 Monate beschäftigt haben will, ebenso für jene signign fee sowie anderes. „Die Zahl haben Sie jetzt nur so gesagt, die meinen Sie sicher nicht so“, sagte SVB-Anwalt Jörn Lassen. Klar ist: Soviel Geld hat der Verein wohl nicht – schließlich sind in den nächsten 20 Jahren auch noch jährlich 80<ET>000 Euro an die DKB zu zahlen, die sich kürzlich auf einen Schuldenschnitt auf 1,6 Millionen Euro mit dem SVB einließ.
Gibt es Chancen für einen Vergleich?
Bei den Sportsmen, die auf ihre Reputation bei Fußballverbänden und -vereinen der ersten bis dritten Liga verweisen, gibt man sich offen – Gesprächsangebote an den SVB seien dort bisher aber ignoriert worden, oder es seine Summen von 5000 oder 10<ET>000 Euro genannt worden. Am gestrigen Montag war SVB-Anwalt Lassen allein und sah sich nicht in der Lage, über einen Vergleich zu reden. Außergerichtlich sei dieser sicher nicht vom Tisch, sagte Lassen. Gibt es keine Einigung, könnte der Verlierer den Bundesgerichtshof anrufen.
Ingmar Höfgen
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