zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Die Anderen

64 Kandidaten treten für kostenlosen Nahverkehr, bezahlbare Mieten und mehr Bürgermitbestimmung an

Stand:

Potsdam ist eine Scheibe – ein Mikrokosmos gespickt mit Verboten. Ein Ort, an dem Parkwächter kleine Fußballer an den Ohren ziehen und die Polizei in der Ausrüstung eines Sondereinsatzkommandos hinter Hecken auf Radfahrer wartet, während Touristen die Stadt besuchen. Zumindest sieht der Karikaturist, der das Wahlplakat für die Wählergruppe Die Andere gezeichnet hat, die Landeshauptstadt so. Und erst im Hintergrund demonstrieren die Potsdamer und skandieren „Miethaie zu Fischstäbchen“ und „Schwarz fahren für alle“ – die eigentlichen Botschaften der Wählergruppe.

Ein komplettes Wahlprogramm sucht man bei der Wählergruppe vergeblich, spezielle Forderungen für einzelne Stadtteile ebenfalls. „Wir versprechen, dass wir uns nicht ändern“, erklärt Jan Wendt. Es ist das einzige Wahlversprechen, was die Kandidaten abgeben. Denn sie wissen, dass ihre Forderungen nicht innerhalb von einigen Monaten in Erfüllung gehen können. Zumindest nicht unter den zu erwartenden Mehrheitsverhältnissen in Potsdam. Ihre 1000 Plakate haben sie daher einzig mit den Slogans „Nulltarif für Bus und Bahn“, „Städtische Unternehmen unter Bürgerkontrolle“, „Bezahlbare Mieten“ und „Freiheit statt Preußen“ sowie mit einem Kreuzworträtsel und der Potsdam-Karikatur versehen.

Die Andere hatte elf Stadtverordnete in der vergangenen Legislaturperiode – obwohl sie mit zwei Personen neben der Familienpartei die kleinste Potsdamer Fraktion ist. Der Grund für die vielen Gesichter ist das eigene Rotationsprinzip: Nach einem Jahr Arbeit in den Ausschüssen der Stadt und dem Mitwirken an Entscheidungen müssen die Anderen einem anderen Platz machen. Dieses Prinzip, ihre Art Politik zu machen und die Regelung, die städtische Aufwandsentschädigung für Stadtverordnete nicht in die eigene Tasche zu stecken sondern an die Gemeinschaft zu spenden, machen die 64 Potsdamer der Wählerliste tatsächlich zu den Anderen – und das schon seit 13 Jahren. Sie waren die ersten, die nach der Korruptionsaffäre um Ex-Baustadtrat Detlef Kaminski dessen Beurlaubung beantragten und waren Initiatoren des Abwahlbegehrens gegen den damaligen Oberbürgermeister Horst Gramlich. Zwei Mal haben sie von Austritten aus anderen Parteien profitiert. Zuerst 1995, als Christian Deichstetter die SPD verlassen und mit Jan Wendt von der Kampagne gegen Wehrpflicht Die Andere ins Leben gerufen hat. Und 1998, als Axel Kruschat wegen des Jugoslawienkrieges den Bündnisgrünen den Rücken kehrte und mit Guido Sauer anders wurde. Unvergessen sind wohl auch die Auftritte von Falk Richter als Oberbürgermeisterkandidat. Der damalige Student der Slawistik kam nach der Abwahl von Horst Gramlich 1998 mit einer Bierflasche in der Hand zum Wahlkampfauftritt aller Kandidaten und erklärte „Ich mach euch jetzt mal den Horst“. Fünf Jahre später lief er als Napoleon im Wahlkampf auf. Was andere Politiker und manchmal auch Journalisten nervte war Kabarett – und Spiegel so mancher Politik.

Sie sind ein wenig ruhiger geworden, aber nicht weniger bissig und originell. Nun haben sie einen kostenlosen Öffentlichen Nahverkehr, eine attraktivere Jugendsozialarbeit sowie eine Reorganisation der kommunalen Unternehmen zu ihren Hauptzielen gemacht. Lösungsansätze liefern sie in ihren Flyern mit. Für den kostenlosen ÖPNV haben sie beispielsweise ein Programm entwickelt, wie dieses Ziel in mehreren Etappen erreicht werden könnte, beginnend mit einem kostenlosen Schülerticket.

Dabei wollen sie auch, dass das kommunale Wohnungsunternehmen Grundstücke preiswerter bekommt und darauf Wohnungen mit einem von der Stadt festgelegten Mietzins baut. Und sie wollen, dass die Potsdamer selbst bestimmen, wofür die Gewinne der städtischen Unternehmen ausgegeben werden.

www.kommunalwahl-potsdam.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })