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Landeshauptstadt: Die Angst vor dem nächsten Chaos

Viele Kinder, wenig Schulen im Potsdamer Norden: Eltern und Parteien wollen verhindern, dass auf dem Hof der Foerster-Schule erneut Container stehen. Der Druck auf die Stadt wächst

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Noch haben die Schüler im Bornstedter Feld viel Platz. So soll es sein, so stellt man sich eine moderne Schule vor: großzügige helle Räume, eine Außenfläche zum Draußenspielen und Toben und sogar ein bisschen Grün. Ein Rasenstück, vielleicht zehn mal 20 Meter groß. „Hier soll der Container stehen“, sagt Madeleine Degèle und deutet auf das wenige Grün vor der Lärmschutzwand. So hat sich die Stadt das vorgestellt. Dass die Miniwiese dann weg ist, sei nicht einmal das geringste Übel, findet Degèle. Sie ist Elternsprecherin, Mutter eines Sohnes an der Schule. In wenigen Jahren sollen hier 200 Schüler mehr unterrichtet werden.

Die Stadt hat sich verplant, das ist bekannt: Viele Wohnungen sind im Norden entstanden, viel mehr Menschen ziehen in die Stadt als prognostiziert und die Stadt kommt nicht hinterher, Schulen zu bauen. Die Grundschule im Bornstedter Feld wurde 2012 eröffnet, weil die Karl-Foerster-Schule aus allen Nähten platzte. Die neue Schule in der Jacob-von-Gundling-Straße wurde dreizügig geplant, also drei Klassen in einem Jahrgang. Bereits in diesem Schuljahr, im zweiten Jahr ihres Bestehens, hat sie vier erste Klassen aufgenommen. Und das wird in den nächsten Jahren so bleiben, später soll auch noch eine fünfte erste Klasse eröffnet werden. Für Degèle ist klar: Wenn die Schule jetzt nicht aktiv gegen den Container kämpft, muss sie die Folgen der nächsten Fehlplanung tragen.

„Wie soll das gehen?“, fragt Degèle und zeigt auf die vorhandene Fläche auf dem Schulgelände. Wo sollen die alle essen, wo auf die Toilette gehen, wo in den Hort? Man könnte die „modularen Raumsysteme“, wie sie die Stadt nennt, unterschiedlich nutzen, schlägt die Stadt vor. Vormittags Schule, nachmittags Hort. Ein Jahr lang hat eine schulinterne Kommission aus Eltern und Lehrern ein Schulkonzept entwickelt. Man wollte Ganztagsschule werden. Dafür aber braucht man Platz und nicht noch 200 Schüler zusätzlich. „Eine Schule, die sich in der Entwicklung befindet, sollte man nicht mit Containern erweitern“, sagt Degèle. Wenn der Container kommt, sei ihr Schulkonzept für den Papierkorb. Das hat sie auch den Vertretern der Stadt vor einigen Wochen gesagt. Der Kreiselternrat hatte zur Informationsveranstaltung zum Schulentwicklungsplan eingeladen. Etwa 30 Eltern waren gekommen. Und Vertreter der Stadt, die auf Power-Point-Präsentationen auf nach oben schnellende Kurven und Balken in Grafiken verwiesen und die Einwohnerzahlen in Klassenzüge umrechneten. „An temporären Provisorien werden wir nicht vorbeikommen“, sagte die Beigeordnete für Bildung, Iris Jana Magdowski (CDU).

Der Karl-Foerster-Schule könnten nicht schon wieder Überlastung und Container zugemutet werden, sagte Magdowski. Dort herrschte vor wenigen Jahren das Chaos, das nun weiterziehen soll. Für manche Familien ziehen die temporären Lösungen aber nicht weiter, sondern mit. „Wir reden in der Familie nur über Übergangszeiten“, sagt ein Vater auf der Veranstaltung des Kreiselternrats. Denn von der Karl-Foerster-Schule seien seine Kinder auf die Grundschule im Bornstedter Feld gewechselt. Und sollte der Container in zwei Jahren auf der Miniwiese vor der Lärmschutzwand stehen, dann steht er dort nach den Planungen der Stadt für sechs Jahre. Eine ganze Grundschulzeit lang. „Wir wollen die Qualität der temporären Lösungen verbessern“, versucht Magdowski zu besänftigen. Elternsprecherin Degèle aber will sich gar nicht erst auf die Diskussion zur Ausstattung eines Containers einlassen. Es muss nach Alternativen zum Modul auf dem Schulgelände gesucht werden.

Und die Stadt prüft die Alternativen. Derzeit auf dem Gelände der Biosphäre, um dort eine Schule zu errichten. Eventuell ließe sich der Bau einer neuen Schule im Norden vorziehen und andere Bauvorhaben stattdessen verschieben, so Magdowski. Schließlich sei der Schulentwicklungsplan noch in der Diskussion. „Wir müssen deutlicher formulieren, dass eine neue Schule früher gebraucht wird“, sagte ein Vater an die anderen Eltern der Schule gewandt.

Dass jetzt gehandelt werden muss, hat auch der CDU-Kreisverband Potsdam erkannt. Aus aktuellem Anlass lädt er zum Pressegespräch über die Situation im Norden der Stadt. Kurz zuvor trafen sich die Lokalpolitiker zum Erfahrungsaustausch mit freien Trägern. Auf Letzteren ruht die Hoffnung der Christdemokraten. Von SPD und Linken werden die freien Schulen stiefmütterlich behandelt und die Versuchung, die freien Schulen vor der nächsten Kommunalwahl als Retter in der Not zu präsentieren, ist groß. Aber eine schnelle Lösung, „weil die freien Träger schneller bauen können“, wie es dem Landtagsabgeordneten Steeven Bretz vorschwebt, kann die CDU auch nicht präsentieren. Stattdessen klagt die Union über das schwierige und langwierige Prozedere der Genehmigung durch das Ministerium und die Knausrigkeit des Landes bei der Finanzierung der Schulen. Und nicht zuletzt klagt die CDU über fehlende kostengünstige Grundstücke in der Stadt, wie es die freien Träger auch tun.

Die CDU hat deswegen noch einen anderen Vorschlag: Der Schieflage, „die wir jetzt schon kommen sehen“, müsse per Bürgerbefragung entgegnet werden. Die Eltern sollen miteinbezogen werden. Eine andere Bürgerbefragung allerdings will CDU-Politiker Bretz wieder rückgängig machen. Der Neubau des Bades am Brauhausberg werde zu teuer, kostengünstiger wäre es, am einst vorgesehenen Standort an der Biosphäre zu bauen. Das gesparte Geld könnte für die Schulen verwendet werden. Schließlich braucht die Stadt dafür rund 160 Millonen Euro.

Doch die Stadt weiß längst um die Notwendigkeit, die Eltern in die Planung einzubeziehen. Auch in den kommenden Monaten wollen Magdowski und Fachbereichsleiterin Petra Rademacher mit Eltern und Schulleitern ins Gespräch kommen. Ob sie allerdings das Problem im Norden dadurch wirklich entschärfen können, ist fraglich. Denn es fehlt bislang anscheinend der Willen schneller zu bauen. Für Matthias Finken, ebenfalls CDU-Politiker, hakt es beim Kommunalen Immobilien Service (KIS). „Man hätte durchaus Möglichkeiten, das Problem zu entschärfen“, sagt der Sprecher der Interessenvertretung Bornstedter Feld. So könnte etwa das künftige Gelände für die Leonardo-da-Vinci-Gesamtschule erweitert werden, um dort eine Grundschule zu errichten. Dafür müsse aber die Fläche von der Stadt vorgehalten werden. Zudem sollte die Pro Potsdam als zuständiger Entwicklungsträger für das Bornstedter Feld stärker in die Planungen der Schulen miteinbezogen werden: „Ich halte den KIS nicht für fähig, den Schulentwicklungsplan umzusetzen“, sagt Finken. Die Stadt könnte seiner Meinung nach den Treuhändervertrag mit der Pro Potsdam ändern und ihr den Auftrag geben, nicht nur Wohnflächen zu verkaufen, sondern eben auch Schulflächen freizugeben. Zum Beispiel an freie Träger.

Elternsprecherin Madeleine Degèle kennt die CDU-Vorliebe für freie Schulen. Doch wie solle das gehen?, fragt sie wieder. „Will die Stadt dann das Schulgeld bezahlen?“ Und wie soll man erklären, dass der Träger eines Jungengymnasiums kein Grundstück bekommt, für eine Grundschule aber eines zu verkaufen wäre?

Seit Jahren fährt Degèle nun schon durch ihr Feld. Sie sieht, wie schnell für Wohnungen Abwasserleitungen gebaut werden, Straßen entstehen. „Es kann ja nicht sein, dass man Wohnungen baut und keine Grundstücke für Schulen übrig hat“, wundert sie sich. Und selbst, wenn doch, es dann aber drei Jahre dauert, bis Baurecht geschaffen wäre, wie die Beigeordnete Magdowski sagt. Schon des öfteren hat Degèle die Stadt auf das Beispiel Cottbus aufmerksam gemacht: Dort gibt es die Schule 21, einen Container als Schule. Mit viel Platz, guter Ausstattung, inzwischen Vorzeigeschule im Land Brandenburg. In einem halben Jahr ist sie errichtet worden. Nur eben nicht dort, wo schon eine Schule steht. Die Stadt habe solch eine Möglichkeit auch für eine Fläche im Bornstedter Feld geprüft, wurde Degèle mitgeteilt. Ergebnis: Es geht nicht, weil die Erschließung fehle.

Nun setzen sich aber auch weitere Politiker für diese Lösung ein: Die SPD-Fraktion hat kurzfristig am Dienstagabend einen Antrag in den Bildungsausschuss eingebracht, der einstimmig angenommen wurde. Die Stadt muss nun – ganz offiziell – mögliche Standorte für eine solche Containerschule prüfen. „Bevor nicht geprüft wird“, so SPD-Politikerin Manja Orlowski, „wollen wir den Schulentwicklungsplan nicht beschließen.“

Der wachsende Druck der Politik auf die Stadtverwaltung dürfte für die Eltern an der Grundschule im Bornstedter Feld so etwas wie ein Weihnachtsgeschenk sein.

nbsp;Grit Weirauch

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