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Landeshauptstadt: Die Angst vorm Neuanfang

Im Rathaus herrscht derzeit nervöses Rätselraten: Es fallen zwei Reizworte – „Mercure“ und „Insolvenzverwalter“. Und die Potsdamer Stadtspitze fängt an, einen alten Fall zu drehen und zu wenden und überlegt, wie im Fall der Fälle zu verfahren wäre: Füße stillhalten oder doch offensiv auf Abriss setzen?

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In der Potsdamer Rathausspitze ist man wegen eines eigentlich beerdigten Themas nervös: die Zukunft des Mercure-Hotels am Stadtschloss. Nach PNN-Informationen ist die Stadtspitze sensibilisiert, seit sie erfahren hat, dass die Gesellschaft, die das Hotel besitzt, unter Führung eines Insolvenzverwalters steht. Die Gesellschaft gehört zur US-amerikanischen Investmentgruppe Blackstone. Sollte sich die Tatsache, dass die Besitzgesellschaft in finanziellen Problemen steckt, auf den Hotelbetrieb in Potsdam auswirken, heißt es, könne die Debatte um die Zukunft und die Bebauung des Hotelareals im ehemaligen Lustgarten des Stadtschlosses wieder von Neuem beginnen – und damit auch die Debatte um den Neubau der „Weissen Flotte“. Die Diskussion um die Zukunft des Hotels hatte im Vorjahr die Pläne des Mäzens Hasso Plattner, das Hotel zu kaufen, abzureißen und eine moderne Kunsthalle zu errichten, verhindert. Wie berichtet kommt Plattners Museum nun in den Palast Barberini, der in unmittelbarer Nähe wieder aufgebaut werden soll. Das Hotel war bis Ende 2012 von der Accor-Gruppe selbst betrieben worden. Danach hatte Blackstone eine eigene Gesellschaft gegründet, um das Hotel zu betreiben. So galt die Zukunft des Hotels und der 80 Arbeitsplätze als gesichert.

Nun wird nach PNN-Informationen in der Stadtpolitik überlegt, sich auf den Fall der Fälle – dass nämlich das Hotel wieder vakant wird – vorzubereiten. So könnten Sanierungssatzung und Bauplanung für das Gebiet so geändert werden, dass bei einem Eigentümer oder Betreiberwechsel kein Hotelbetrieb mehr möglich ist; das Haus könnte auf „Abriss“ gestellt werden. Doch genau davor warnen Fachleute nun. Der Grund: Das könnte für die Stadt teuer werden. Denn der Hotelbetrieb ist von der Besitzgesellschaft getrennt – er liegt bei einer extra Gesellschaft. Diese Betriebsgesellschaft hat einen Franchise-Vertrag mit der französischen Accor-Hotelgruppe und darf demnach das Hotel unter dem Accor gehörenden Markennamen Mercure betreiben. Zwar könne die Stadt den Hotelbesitzer mit einer solchen Änderung der Bauplanung und der Sanierungsziele unter Druck setzen – doch der Preis wäre hoch. Denn der Besitzer/Betreiber könne nach einem solchen „auf Abriss stellen“ sofort an die Stadt herantreten und kundtun, dass er den Zielen der Stadt entsprechen wolle und das Hotel nicht weiter haben wolle. Dann müssten sich Stadt und Unternehmen einen Wertgutachter suchen und der käme zu einem ähnlichen Ergebnis, wie es zwischen Mäzen Plattner und Blackstone schon fertig verhandelt worden war – 14 Millionen Euro.

Allerdings versucht Blackstone Medienberichten zufolge bereits seit Längerem sein Portfolio an ehemaligen DDR-Interhotels, zu denen auch das Mercure gehörte, zu verkaufen. Insgesamt zwölf Hotels erwarb Blackstone 2006 von der Interhotel GmbH & Co KG, die die Häuser nach der Wende weitergeführt hatte. Das Hotel in Potsdam gilt als gut ausgelastet. Allerdings beschwere sich die Belegschaft zunehmend, dass seitens der Hotelleitung versucht werde, Mitbestimmungsrechte einzuengen, so Sebastian Riesner von der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG). Bei der Betreiberfirma soll es sich um die Hotel Potsdam Betriebs GmbH aus Düsseldorf handeln, die wiederum eine Tochter der Event Hotel-Gruppe ist, die Blackstone gehört. „Von Anfang an war klar, die Gesellschaft ist nur dafür da, die Braut hübsch zu machen und am Ende zu verkaufen“, so Riesner. Sollte Potsdam nun aktiv werden, könnte sich dies negativ auf die Auslastung auswirken, wird befürchtet.

Die Insolvenzverwaltung bei der Besitzgesellschaft geht offenbar auf eine Umschuldung im Vorjahr zurück. Derzeit werde mit Banken und Blackstone darüber verhandelt, wie die Schulden bedient werden. Der Betriebsgesellschaft wiederum gehe es gut, sie stehe nicht unter Kuratel eines Insolvenzverwalters, hieß es aus dem Unternehmen. Der Vertrag mit Accor gebe dem Unternehmen und den Beschäftigten die nötige Sicherheit.

Momentan völlig offen ist, was mit der Fläche wird, sollte das Mercure-Hochhaus einmal nicht mehr sein. „Da fangen die Fantasien an, was da alles stattfinden kann“, hatte Linken-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg bereits am vergangenen Mittwoch gesagt. Noch vor einem Jahr hatte seine Partei die Pläne für Plattners Kunsthalle am Standort des Mercure torpediert. Für die Bürgerinitiative Mitteschön gibt es langfristig nur ein Ziel: „Die Wiederherstellung des Ursprungsgartens der gesamten Gartenstadt Potsdam“, erklärte Mitteschön-Mitglied Hans-Joachim Kuke den PNN. Aus diesem Grund befürwortet er den Architekturvorschlag des Architekten Günter Vandenherz für einen runden Pavillon als Neubau für die Weisse Flotte anstelle eines Winkelbaus am Neptunbecken. Kuke erklärte, Mitteschön sei gegen jeden Verkauf von Flächen des Lustgartens: „Öffentlicher Besitz sollte öffentlicher Besitz bleiben.“ Rudolph Freiherr von Ketteler, engagiert für den Wiederaufbau der Neptungruppe, nannte den Vandenherz-Vorschlag „intellektuell sehr ansprechend“. Der Grund: „Alles, was jetzt für den Lustgarten geplant wird, sollte so geplant werden, als wenn das Mercure nicht mehr steht.“

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