Interview: „Die Antennen sind immer oben“
„Man beobachtet das ganze Jahr über den Markt.“ „Das ist für unsere Verhältnisse schon fast eine Katastrophe.“ Cheftrainer Dietmar Demuth über die erste Halbserie des SV Babelsberg 03 in der 3. Fußball-Liga und personelle Vorstellungen
Stand:
Dietmar Demuth, der von Ihnen trainierte SV Babelsberg 03 steht zur Saison-Halbzeit der Dritten Fußball-Bundesliga nach 19 Spielen mit 24 Punkten – drei mehr als vor Jahresfrist – auf Tabellenplatz 13. Hatten Sie damit vor dem Spieljahr gerechnet?
Nein, damit konnte man nicht rechnen, wenn man die Vorgeschichte kennt – dass der Verein vor dem finanziellen Aus stand. Daher ist das eine Super-Ausbeute, die wir geschafft haben.
Wie erklären Sie sich diese erfolgreiche Hinrunde?
Nach der Zusammenstellung des Kaders, der nach der Lizensierung in sehr kurzer Zeit erfolgen musste, haben wir sehr intensiv gearbeitet. Die Jungs haben sich gestrafft und nach etwas längerem Hin und Her hat sich eine Mannschaft herauskristallisiert, die die Punkte wollte und auch erkämpft hat.
Vier der sechs Saisonsiege gelangen Nulldrei daheim im Karl-Liebknecht-Stadion.
Wir wollten unseren Heimvorteil natürlich ausnutzen und das ist uns in der Mehrzahl auch gelungen. Umso ärgerlicher ist es, dass wir hier auch unnötig Punkte liegengelassen haben. Mitunter fehlt uns halt noch die Abgeklärtheit, das Zusammenspiel von Offensive und Defensive. Da sind einige Baustellen, auf denen wir noch zu tun haben. Dazu kam, dass wir in der Defensive immer wieder umstellen mussten und nicht immer die Ideallösung hatten – das trägt natürlich nicht dazu bei, hinten stabil zu stehen und die Null zu halten. Ich erinnere nur an Werder Bremen II, als wir schon 2:0 führten, als dominante Mannschaft dem 3:0 nahe waren und doch noch 2:3 verloren. So etwas war bitter. Aber auch manch andere Niederlage war unnötig, weil wir sie uns selbst zugefügt haben.
Über welchen Sieg in der ersten Halbserie haben Sie sich denn am meisten gefreut?
Ich freue mich über jeden Sieg, daher kann ich einen einzelnen schwer herausstellen. Wenn wir unsere Leistung abrufen, dann bin ich zufrieden. Und wenn dann auch noch das Ergebnis stimmt, bin ich rundum zufrieden. Wie beispielsweise zu Hause gegen Erfurt, als wir fußballerisch gut spielten, Tugenden zeigten und dafür mit einem 3:0 belohnt wurden.
Markus Müller, der im Sommer vom Halleschen FC zum SVB kam, mauserte sich hier mit mittlerweile neun Saisontoren zum Goalgetter Ihrer Mannschaft. Hand aufs Herz: Hat man damit zu Saisonbeginn rechnen können?
Nein, das weiß man vorher nie, ob es nun ein Markus Müller oder ein anderer Spieler ist, den man herholt. Man hofft, dass er der Mannschaft weiterhilft, und ein Stürmer hilft am besten mit Toren. Mich freut es für Markus, wie er sich nach seiner schwierigen Zeit zuletzt in Halle wieder so herangekämpft hat und wir ihm dabei mit helfen konnten. In erster Linie aber kann er sich selbst auf die Schulter klopfen, dass er im Training Gas gegeben und dies in der Liga mit Toren belohnt hat.
Was schätzen Sie an Müller besonders?
Er ist ein wuchtiger und ekliger Stürmer, der sich nicht zu schade ist, Drecksarbeit zu leisten. So einen Stoßstürmer hatte ich mir erhofft.
Welche Ihrer Spieler haben sich in der ersten Halbserie außerdem als die größten Leistungsträger herauskristallisiert?
Dominik Stroh-Engel beispielsweise. Seine Umstellung von der zentralen Spitze auf die Schaltstation dahinter, wo er viele Ballkontakte bekommt, hat ihm und auch uns gutgetan. Anton Makarenko hat ebenfalls einen Riesenschritt getan. Auch Julian Prochnow hat seine Sache ordentlich gemacht. Er hat dazugelernt, ist robuster geworden, nicht mehr so nervös, und spielt wirklich taktisch diszipliniert. Da ist Verlass drauf.
Größtes Problemfeld scheint derzeit die Vierer-Abwehrkette zu sein, die Sie durch Ausfälle immer wieder umstellen mussten.
Zum einen fällt dort Florian Grossert, der fest eingeplant war, verletzt aus, dazu Surma jetzt wegen seiner Rot-Sperre. Christian Groß fehlt schon das ganze Spieljahr wegen seiner schweren Knieverletzung Anfang August. Das sind drei Größen, mit denen man fest geplant hat. Das ist für unsere Verhältnisse schon fast eine Katastrophe.
Am neunten Spieltag rückte in der Partie in Chemnitz erstmals Daniel Zacher für Mannschaftskapitän Marian Unger ins Babelsberger Tor, wo er den Platz seitdem behauptet – zu Ihrer Zufriedenheit?
Wenn er seine Sache nicht ordentlich gemacht hätte, hätten wir sicher wieder gewechselt. Daniel hat auch unglückliche Situationen gehabt, momentan sehe ich aber keinen Anlass zu einem Wechsel. Wenn nicht noch Gravierendes geschieht, werden wir die beiden letzten Spiele des Jahres weiter mit Zacher im Tor bestreiten, und dann wird der Konkurrenzkampf wieder neu entfacht.
Ihre Mannschaft für die Liga-Spiele stellt sich momentan fast von allein auf, weil der zweite Anzug – wie in den Landespokalspielen beim Frankfurter FC und zuletzt am Sonntag beim BSC Rathenow 94 zu erleben war – nicht richtig passt, oder?
So sollte man das nicht sehen. Natürlich darf man mit den Auftritten im Landespokal nicht zufrieden sein. Ich weiß, dass die Mannschaft zusammengewürfelt ist, dass der Platz in Rathenow schlecht war und der Gegner hinten in der Abwehr stand. Trotzdem muss man von jedem Spieler sehen, dass er unbedingt gewinnen will, dass er sich durchsetzt, dass er ein Drittliga-Spieler ist. Und das habe ich jetzt schon das zweite Mal nicht gesehen. Da muss man sich natürlich fragen, ob es an der Qualität oder an der Einstellung des Spielers liegt.
Wird Nulldrei in der Winterpause noch einmal personell aktiv werden müssen?
Die Antennen sind immer oben, man beobachtet das ganze Jahr über den Markt. Aber wir haben derzeit 24 Spieler im Kader, und wenn man Veränderungen vornehmen wollte, müsste man dem einen oder anderen der jetzigen Spieler nahelegen, den Verein zu verlassen.
Machen Sie sich eigentlich Sorgen um Ihre eigene Zukunft beim SVB, bei dem Ihr Vertrag 2012 endet? In den vergangenen Tagen wurde in der Presse darüber spekuliert.
Ich selbst habe eine solche Frage nicht gestellt, sondern bleibe ganz ruhig. Dass ich – ohne überheblich sein zu wollen – hier ganz gute Arbeit abliefere, hat sich in ganz Deutschland herumgesprochen, dieses Feedback bekommt man. Der Verein und ich haben uns verständigt, dass wir uns in der Winterpause zusammensetzen und mal alles durchsprechen.
Würden Sie gern in Babelsberg bleiben, wo Sie seit mittlerweile über vier Jahren als Trainer tätig sind?
Ich habe hier etwas aufgebaut, das ich natürlich gern weiterführen möchte. Dazu brauche ich aber Signale des Vereins und das Paket muss passen.
Babelsbergs letzte Spiele dieses Jahres finden am kommenden Samstag bei Rot-Weiß Erfurt und am 16. Dezember daheim unter Flutlicht gegen Jahn Regensburg statt – was ist da noch drin für Nulldrei?
Man merkt schon, dass die Mannschaft Ermüdungserscheinungen hat, denn die Saison war sehr anstrengend. Wir müssen uns jetzt noch einmal straffen und dürfen uns nicht mit 24 Punkten auf dem Konto ausruhen. Ich hoffe, das bekomme ich aus den Köpfen raus, sodass wir nochmal zwei gute Spiele abliefern und uns mit Punkten belohnen. Dann haben wir als Verein wirklich ein Super-Jahr gehabt.
Und die Mannschaft kann in den Weihnachtsurlaub gehen.
Am Samstagvormittag nach dem Regensburg-Spiel wird nochmal ausgelaufen, dann bekommen die Spieler ihre Aufgaben mit, was sie im Urlaub machen sollen. Wir werden hoffentlich mit noch ein paar Punkten mehr als jetzt schön Weihnachten feiern, ins neue Jahr rutschen, abschalten und ordentlich regenerieren, ehe wir am 2. Januar mit dem Training für die restliche Saison beginnen.
Ist wieder ein Trainingslager geplant?
Ja, wir werden vom 3. bis 8. Januar wieder zum Skilanglauf in den Schnee gehen, diesmal nach Schwarzenberg im Erzgebirge.
Das Interview führte Michael Meyer.
Dietmar Demuth (56) ist seit 7. Oktober 2007 Cheftrainer und Sportlicher Leiter des SV Babelsberg 03, den er 2010 in die 3. Liga führte. Dort steht der SVB derzeit auf Tabellenplatz 13.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: