zum Hauptinhalt

Mehr Wettbewerbe: „Die Architektur spielt kaum eine Rolle“

Potsdams Baubeigeordneter Matthias Klipp (Bündnisgrüne) kritisiert mangelndes Interesse der städtischen Betriebe, bei Bauprojekten Wettbewerbe auszuloben.

Stand:

Bornstedter Feld - Potsdams Baubeigeordneter Matthias Klipp (Bündnisgrüne) hat den städtischen Gesellschaften mangelnde Baukultur vorgeworfen. Bei Bauvorhaben würde versucht, Architekturwettbewerbe „geschickt zu umgehen“, erklärte Klipp gestern als Podiumsgast der Fachtagung „Planungswettbewerbe in der Praxis“ im großen Hörsaal der Fachhochschule an der Pappelallee. Dabei ging es um Architekturwettbewerbe als Chance für junge Architekten und kleine Architekturbüros. Klipp nannte konkret den Kommunalen Immobilien Service (KIS), die Stadtwerke oder die Gewoba als Wohnungsunternehmen der Pro Potsdam GmbH. „Wir müssen daran arbeiten, dass in Potsdam eine Wettbewerbskultur Einzug hält“, sagte der Baubeigeordnete. Eine „kritische Öffentlichkeit“ gebe es diesbezüglich in Potsdam nicht. Die Vergabe von Bauvorhaben ohne vorhergehenden Wettbewerb direkt an bevorzugte Architekten „wird billigend in Kauf genommen“, monierte der Beigeordnete. Als Beispiel nannte Klipp das Freizeitbad im Bornstedter Feld.

Die Stadt Potsdam selbst trete immer seltener als Bauherr in Erscheinung. Gebaut würde zunehmend von privaten Investoren. Einziges Großprojekt der Stadt sei derzeit die Sanierung der Humboldt-Brücke. Klipp: „Ansonsten bauen wir ein paar Ufer- und Radwege sowie in Drewitz den Konrad-Wolf-Park.“ Vor dem Hintergrund notwendiger Sparbemühungen der öffentlichen Hand trete die Architektur als Qualitätsmerkmal von Bauten immer weiter zurück. „Die Architektur spielt kaum noch eine Rolle“, erklärte Klipp. Das Maß aller Dinge seien stattdessen „geringe Baukosten und geringe Betriebskosten“. Beim Freizeitbad im Bornstedter Feld würden die Baukosten derzeit von 23 auf 18 Millionen Euro bei geringsten Betriebskosten runtergerechnet. „Das ist die Aufgabe, vor der Architekten heute stehen“, kritisiert Klipp: „Es geht nur noch um die Kosten.“

Dennoch sieht der Baubeigeordnete eine Chance, Architekturwettbewerbe und damit die Chance auf Kreativität und Anspruch an die Architektur eines Gebäudes durchzusetzen: Künftig sollte die Vergabe von Grundstücken mit der Pflicht zu einem Architekturwettbewerb gekoppelt werden – durch entsprechende Festlegungen im Kaufvertrag.

Norbert John, Technischer Geschäftsführer des Brandenburgischen Landesbetriebes für Liegenschaften und Bauen (BLB), der wegen neuer Verwaltungs- oder auch Wissenschaftsbauten im Land im Gegensatz zu Klipp noch ein bedeutender Bauherr ist, sieht in den Wettbewerben kein Allheilmittel. Im „Staatshochbau“ führten „viele Wege nach Rom“. John: „Wir werden für das Ergebnis bezahlt, nicht für einen tollen Wettbewerb.“ Der BLB sei eher „nicht auf der Suche nach der besten Lösung, sondern nach dem besten Partner“, bekannte John.

Indes scheint auch ein weitgehend offener Wettbewerb noch kein Garant für eine Chance auf Teilhabe junger Architekten zu sein. Ein Architekt aus Potsdam, der in seinem Büro sieben Mitarbeiter beschäftigt, berichtete von einer Ausschreibung für den Bau einer Schule für 7,5 Millionen Euro, in der von den bietenden Architekturbüros ein Jahresumsatz von 2,5 Millionen Euro gefordert wird. Der Architekt: „Das schaffe ich nicht.“

Der Architekt nannte noch ein besonders anschauliches Beispiel für eine Ausgrenzung von mitbietenden Architekten. Bei dem später an der Verweigerung von Landesfördermitteln gescheiterten Freizeitbad auf dem Brauhausberg nach Entwürfen des brasilianischen Stararchitekten Oscar Niemeyer wurden die bauausführenden Arbeiten durchaus ausgeschrieben. Allerdings sei eine Forderung erhoben worden, der nur die wenigsten Architekten im Land Brandenburg gewachsen waren: Der bauleitende Architekt, schimpfte der Tagungsteilnehmer, „sollte portugiesisch sprechen können – und das hier in Potsdam“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })