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Tagung zum 300. Geburtstag von Emilie du Châtelet
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„Es ist weder einem Menschen, noch einem Jahrhundert gegeben, alles zu wissen“, schrieb Emilie du Châtelet in ihrer „Naturlehre“ anno 1743. Diese Worte stammten aus der Feder einer Intellektuellen und Aufklärerin, deren Bedeutung in den letzten Jahrzehnten vermehrt herausgearbeitet wird. Schon Immanuel Kant bescheinigte nach der Lektüre eben jenes Werkes der Châtelet, dass diese „den Vorzug des Verstandes und der Wissenschaft“ genieße und „sie über alle übrigen ihres Geschlechtes und auch über einen großen Teil des anderen“ hinwegsetze.
2006 jährt sich der Geburtstag der französischen Physikerin, Mathematikerin und Philosophin zum 300. Mal. Ruth Hagengruber von der Universität Paderborn und Hartmut Hecht von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften richteten aus diesem Anlass am vergangenen Wochenende eine Internationale Tagung mit dem Titel „Emilie du Châtelet und die deutsche Aufklärung“ im Potsdamer Forschungszentrum Europäische Aufklärung aus. Die Leitung hatte Prof. Brunhilde Wehinger.
Hagengruber und Hecht stellten auf der Tagung ein Reprint der deutschen Übersetzung von Châtelets Hauptwerk vor: „Naturlehre“, im Original „Institutions physiques“. Dieses wird nun neu verlegt. Die Tagung hatte zum Ziel, einen Beitrag zur Erforschung des Werkes von Emilie du Châtelet zu leisten. Besonders ihre Bedeutung in der Leibniz-Newton-Debatte und ihr Einfluss auf deutsche Denker, nicht zuletzt Kant, waren zentrale Themen der Referenten.
Ursula Winter von der TU Berlin machte in ihrem Vortrag „Châtelets Kommentare der Newtonschen und Leibnizschen Naturphilosophie“ das umfassende physikalische Fachwissen und die eigenen Ableitungen der Philosophin deutlich. Sie hob deren bisher verkannten wissenschaftlichen Sachverstand hervor: „Zu ihren übersetzten Werken stellte sie immer auch eigene Recherchen an. Châtelet strebte so den interkulturellen Dialog als Grundlage der Aufklärungsphilosophie an.“ Newtons „Principia“, die sie zwischen 1745 bis zu ihrem Tod im Jahr 1749 übersetzte, stellte die Châtelet laut Ursula Winter in einen breiteren, wissenschaftlichen Kontext und holte ihn somit vom Sockel des Überfliegers seiner Zeit.
Die Kölner Wissenschaftlerin Frauke Böttcher verdeutlichte in ihrem Vortrag über die „Rezeption der Institutions physiques in Deutschland“ die Nähe des Denkens der Châtelet zur Philosophie eines Christian Wolff. Verbindungen in Wollfsche Kreise führten laut Böttcher auch zur Übersetzung der „Institutions physiques“ ins Deutsche und deren Veröffentlichung im Jahr 1743. Kant gehörte, so die These der Tagungsveranstalterin Ruth Hagengruber, auch zu den Rezipienten des Werkes. Die Châtelet wandte sich, so Frauke Böttcher, jedoch bald von den deutschen Wolffianern ab, die ihr teils Plagiate, teils fälschliche philosophische Vorstellungen vorwarfen. Die Beschuldigungen gegen die Châtelet wurden auf der Tagung nachhaltig entkräftet.
Gegenstand von Vorträgen und Diskussionen wurden auch die von der Châtelet verfassten Schriften zur Metaphysik, eine Optik, deren Text verloren schien und auf der Tagung vom Baseler Fritz Nagel als Sensationsfund präsentiert wurde, und eine Schrift über das Glück sowie deren Rezeptionen. Ruth Hagengruber zeigte sich nach der Tagung sichtlich zufrieden: „Früher wurde die Châtelet immer als Maitresse von Voltaire abgetan. Aber die Forschung heute zeigt, dass sie auf der Höhe des Denkens von Newton und Leibniz war. Sie war die bedeutendste Wissenschaftlerin des 18. Jahrhunderts und hatte eine Vorbildwirkung für die Frauen ihrer Zeit.“ Die geografische Nähe zu Sanssouci und Friedrich dem Großen sei laut Hagengruber für die Thematik optimal gewesen: „Diese Tagung passte einfach nach Potsdam!“ Eik Doedtmann
Eik Doedtmann
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