Aus dem GERICHTSSAAL: „Die Aussagen der Zeugin sind glaubwürdig!“
Missbrauchs-Prozess: Verteidiger beantragte ein zweites Gutachten
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Das Schöffengericht wollte gestern eigentlich ein Urteil sprechen. Und das wäre nach Erstatten des Gutachtens von Aussagepsychologin Amelie Stanislawski aus Saarbrücken wohl nicht günstig für Manfred M.* (67) ausgefallen. Der Philosoph mit dem Professorentitel soll seine Stieftochter Florentine* im Alter von 12 Jahren sexuell schwer missbraucht haben. Lange konnte das Mädchen nicht darüber sprechen, was ihm vermeintlich widerfahren war. Erst 2008 - nach einer Therapie - war es der damals 26-Jährigen möglich, Anzeige gegen den Mann zu erstatten. Manfred M. hatte die Vorwürfe bestritten. Er fühlt sich als Opfer einer Intrige. Florentine (inzwischen 28) tritt im Prozess als Nebenklägerin auf. Sie wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen (PNN berichteten).
Die Aussagen von Florentine seien glaubwürdig, betonte die Psychologin in ihrer Expertise. Es gäbe keinen Hinweis darauf, dass sie sich in den Mittelpunkt spielen wolle. Bei der Befragung habe sie Erinnerungslücken und Ungenauigkeiten eingeräumt, ohne Angst zu haben, dadurch unglaubhaft zu erscheinen. „Sie hat sehr authentisch und real geantwortet. Die Aussagequalität spricht für ein Erleben ihrer Bekundungen. Die Hypothese, dass sie den Angeklagten zu Unrecht beschuldigen wolle, müsse zurückgewiesen werden“, so Stanislawski. Inzwischen habe Florentine eine zweite Therapie begonnen, um leichter mit dem Geschehen leben zu können.
Der Verteidiger ließ während des gut drei Stunden dauernden Vortrags der Aussagepsychologin keine Chance ungenutzt, Florentine der Lüge zu bezichtigen. Er bezweifelte die Objektivität des Gutachtens, fühlte sich gar „für doof verkauft“. „Ihre Antworten befriedigen mich nicht“, grollte er. Dann schwang er sich zu der Theorie auf: „Was wäre, wenn die Übergriffe tatsächlich so stattgefunden hätten, wie sie angezeigt wurden, es aber einen anderen Täter gegeben hätte?“ „Diese Hypothese hat an keiner Stelle Nahrung gekriegt“, parierte Amelie Stanislawski. Florentine habe ausschließlich sexuelle Erfahrungen mit ihrem Stiefvater gemacht. Bis heute sei es ihr nicht möglich, intime Kontakte zu jungen Männern zu pflegen.
Der Verteidiger ließ nicht locker, forderte unter anderem, ein zweites aussagepsychologisches Gutachten einzuholen. Staatsanwältin und Nebenklage-Vertreter wiesen den Antrag ab, da „an der wissenschaftlichen Fundiertheit des ersten Gutachtens überhaupt keine Zweifel bestehen und es den Richtlinien des Bundesgerichtshofes entspricht“. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Reinhild Ahle vertagte die Entscheidung. Würde es dem Antrag der Verteidigung stattgeben, wäre der Missbrauchs-Prozess erst einmal geplatzt. (*Namen geändert.) Hoga
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