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Südfrüchte. Selbst Bananen waren Mangelware in der DDR.

© ddp

Landeshauptstadt: Die „Bananenrevolte“

Aufgebrachte Bürger stoppten im Früchtekorb den Verkauf von Südfrüchten gegen Westmark

Stand:

Am Vormittag des 13. Februar 1990, einem Dienstag, erschien der Bäcker Reinhard Peters beim Rat der Stadt, um gegen den Verkauf von Südfrüchten für Westgeld zu protestieren. Noch wurden die DDR-Bürger ja in Ostmark entlohnt, die Währungsunion folgte erst am 1. Juli 1990. Im Stadthaus wurde Peters abgewiesen: Sein Anliegen ginge die Staatsmacht nichts an. Darauf zog Peters zum „Früchtekorb“ in der Brandenburger Straße 17, wo die Bananen, Apfelsinen, sogar die damals den meisten noch unbekannten Kiwis angeboten wurden. Im Handumdrehen hatten sich Hunderte Potsdamer seiner Aktion angeschlossen. Sie blockierten nicht nur den Eingang zum „Früchtekorb“, sondern die gesamte Brandenburger Straße. Die Polizei hielt sich zurück. Innerhalb einer halben Stunde unterschrieben etwa 200 Passanten die von Peters ausgelegte Protesterklärung. Normal von Ostgeld lebende Familien könnten „sich diese Art Einkauf nicht leisten“, erklärte Reinhard Peters dem Reporter unserer Zeitung, der die Potsdamer „Bananenrevolte“ tags darauf unter der Überschrift „Südfrüchte für DM – Nein danke!“ ins Blatt brachte.

Der Verkauf musste abgebrochen werden. Tags darauf lagen die Südfrüchte da und wurden „überhaupt nicht gehandelt – weder gegen West noch gegen Ost“. Damit sei „der Versuch vorerst gescheitert, die D-Mark schon jetzt als Währung in Potsdam einzuführen“, kommentierte vorausschauend unser „Atlas“. Unternommen worden war dieser Versuch von der LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) Gewächshauswirtschaften Werder (Havel). Die unterhielt in Potsdam drei Verkaufsstellen, über die sie die Bevölkerung mit frühem Gemüse und Blumen versorgen sollte. Das Angebot der ersten Gurken, Tomaten und der Freesien zum Frauentag führte Anfang März im „Früchtekorb“, in der Markthalle und in der Berliner Straße stets zu endlosen Käuferschlangen, im Volksmund „sozialistische Wartegemeinschaften“ genannt.

Der LPG-Vorsitzende Moser fand die Idee, die Genossenschaftskasse durch den Südfrüchteverkauf mit Westgeld aufzubessern, offensichtlich so brillant, dass er sich über das bereits am 9. Februar 1990 vom Rat des Bezirks erlassene Verbot des Handels gegen Westgeld hinwegsetzte. Angeblich war diese Weisung durch das Kreisratsmitglied für Landwirtschaft, Baumann, nicht an ihn weitergegeben worden. Ungerührt erklärte noch während der „Bananenrevolte“ die Verkaufsstellenleiterin des Früchtekorbs, die Waren seien gegen Westgeld eingekauft worden, also müssten sie auch gegen diese Währung verkauft werden. Ein Machtwort des damaligen Vorsitzenden des Rates des Kreises, Herbert Krugenberg (SED), beendete dann die Posse.

Einen anderen Weg war inzwischen Rainer Kobert gegangen, einer der wenigen privaten Großhändler, deren Betrieb die DDR-Zeit ohne Verstaatlichung überstanden hatte. Er holte nach Vereinbarung mit einem Duisburger Unternehmen von dort in 1200 Kilometer Fahrt mit zwei W 50-Lastwagen (Lkw aus DDR-Produktion) Südfrüchte nach Potsdam. Sie wurden in der Zeppelinstraße (damals noch Leninallee) in einem von der Elektrowerkstatt Franke angemieteten Laden und auch vom Wagen weg verkauft, für das Kilo Mandarinen 6 Mark und für eine Kiwifrucht 1,30 Mark – und zwar in Ost! „Das Geschäft wurde gänzlich ohne Devisen abgewickelt!“, erklärte der Großhändler. „Wir wollten damit zeigen, dass ein privates Unternehmen eben mehr möglich machen kann als der staatliche Handel.“ Erhart Hohenstein

Erhart HohensteinD

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