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Flüchtlinge für den Arbeitsmarkt: „Die Bereitschaft unserer Betriebe ist groß“

Die Betriebe in Potsdam suchen dringend neue Lehrkräfte, viele Lehrstellen sind unbesetzt. Nun wird die Handwerkskammer aktiv - und will Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt integrieren. Doch dafür müssen die Voraussetzungen stimmen, sagt IHK-Chef Ralph Bührig im Interview.

Von Matthias Matern

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Herr Bührig, die Agentur für Arbeit Potsdam hat vergangene Woche ein Projekt vorgestellt, das Betriebspraktika für Flüchtlinge ermöglichen soll. Zudem sollen geschulte Mitarbeiter bei der Vermittlung von Arbeitsplätzen helfen. Ihnen greift das Konzept zu kurz. Wieso?

Zunächst einmal ganz ausdrücklich: Was die Agentur da auf den Weg gebracht hat, finden wir gut. Wir halten das Instrument einer Einstiegsqualifizierung für sinnvoll, um die Integration voranzutreiben. Wir stellen jedoch vielfach fest, dass in den Aufnahmeeinrichtungen die Übersicht fehlt, welche beruflichen Qualifikationen bei den Flüchtlingen vorliegen und ob sie über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen.

Ihre Kammer hat jetzt ein eigenes Konzept vorgelegt. Was wollen Sie anders machen?

Unser Konzept sieht vor, mit den Teilnehmern ein berufliches Orientierungsprogramm zu absolvieren. Dies schafft Klarheit für alle Beteiligten. Die Flüchtlinge lernen den deutschen Berufsalltag kennen und wir können uns einen Eindruck verschaffen, ob die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Berufseinstieg vorliegen. Negativerfahrungen können so auf beiden Seiten vermieden werden.

Sie kritisieren auch, dass die Behörden zu wenig für den Spracherwerb tun?

Wir haben zum Beispiel in einer Arbeitsrunde bei der Agentur für Arbeit das Thema Deutschkenntnisse diskutiert. Das Ergebnis war ernüchternd. Auch nach Einschätzung vieler Träger von Flüchtlingsheimen und Einrichtungen, die sich um die Asylbewerber kümmern, verfügt nur eine überschaubare Zahl von Flüchtlingen über ausreichende Deutschkenntnisse. Es scheint mir kein flächendeckendes Sprachlernangebot zu geben. Das ist aber der entscheidende Baustein für eine erfolgreiche Integration.

Kurz vor Beginn des aktuellen Ausbildungsjahres am 1. August waren in ihrem Kammerbezirk noch 550 Lehrstellen unbesetzt. Wie viele sind es jetzt?

Die Zahl liegt weiterhin bei über 500. Unsere Betriebe suchen händeringend Berufsnachwuchs. Schulabgänger ohne Lehrvertrag haben noch alle Möglichkeiten, aus den vielfältigen Angeboten zu wählen. Von A wie Augenoptiker bis Z wie Zimmerer sind viele Berufe dabei.

Im Kongresshotel Templiner See hat nun ein junger afghanischer Flüchtling eine Ausbildung zum Hotelfachmann begonnen. Gibt es auch in Ihrem Kammerbezirk solche Beispiele?

Mir sind keine Beispiele bekannt. Aus den vielen Anfragen von Betrieben ist aber zu schließen, dass es auch im Handwerk eine große Bereitschaft zur Ausbildung von Flüchtlingen gibt. Klar ist aber auch, dass die Voraussetzungen vorliegen müssen. Das heißt: ein Mindestmaß an Sprachkenntnissen, Motivation und Sicherheit beim Aufenthaltsstatus.

Das Interview führte Matthias Matern

ZUR PERSON: Ralph Bührig (46) ist seit 2012 Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Potsdam. Der Rechtsanwalt und Betriebswirt ist bereits seit 2001 für die Kammer tätig.

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