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Landeshauptstadt: Die bewegte Stadt

Wie weit kommt man in zehn Minuten? Potsdamer Studenten erstellten die interaktive Karte „Isoscope“

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Für viele Autofahrer, Radler und Fußgänger ist der Blick in Online-Routenplaner wie Google Maps längst zur Gewohnheit geworden: Ein solcher Dienst schlägt den Nutzern auf einer Karte Routen zum Zielort vor, inklusive einer Angabe der ungefähren Reisezeit. „Aber was passiert, wenn Mobilität nicht funktioniert oder ins Stocken gerät, zum Beispiel durch Staus?“, fragt Sebastian Kaim, Interface-Design-Student im sechsten Semester an der Fachhochschule Potsdam (FH).

Auf genau solche Fragen soll die interaktive Karte „Isoscope“ Antworten geben, die der 28-Jährige zusammen mit seinen Interface-Design- Kommilitonen Flavio Gortana und Martin von Lupin erstellt hat und die seit Frühjahr online ist. Ob zur Rushhour, nachts um drei oder am Montagmorgen – die Verkehrssituation in der Stadt ist jedesmal eine andere und dementsprechend benötigt man mehr oder weniger Zeit für eine bestimmte Strecke.

Wer auf die Isoscope-Seite geht, kann praktisch jeden Ort auf der Welt ansteuern und an einer beliebigen Stelle auf der Karte einen Punkt setzen, von dem aus der Aktionsradius – mit Auto oder zu Fuß – in Form einer blauen Fläche angezeigt wird. Im Menü lassen sich die Uhrzeit, der jeweilige Wochentag sowie die Reisezeit (zwischen zwei und zehn Minuten) einstellen. Setzt man den Punkt zum Beispiel auf den Hauptbahnhof Potsdam, kann man sehen, dass man an einem Montag um 14 Uhr mit dem Auto in zehn Minuten etwa bis Bahnhof Pirschheide gelangt, um 1 Uhr nachts hingegen bis in die Ortsmitte von Geltow. „Was die Reichweitenunterschiede angeht, ist die Varianz in Potsdam geringer als in vielen großen Städten, wo der Verkehrsfluss nachts sehr viel besser ist als tagsüber“, sagt Kaim.

Die interaktive Karte ist in dieser Form bislang einzigartig. Zwar gibt es vergleichbare Dienste wie „Mapnificent“, diese sind jedoch nur auf wenige Städte begrenzt. Mit seiner Anwendbarkeit auf fast jede Straße auf der Erde scheint Isoscope einen Nerv getroffen zu haben: Kaim und von Lupin zeigen italienische, russische und chinesische Blogs, wo über die Software diskutiert wird. Sogar die Stadtverwaltungen von Boston und Toronto hätten sich, so erzählen die Studenten, an der Verkehrs-Visualisierung von Isoscope interessiert gezeigt.

„Es ist aber kein Werkzeug für Stadtplaner, dafür sind die Daten leider zu ungenau“, sagt Kaim. Gefüttert wird die Software mit anonymisierten Daten von Navigationsgeräten, die über den Nokia-Kartendienst „Here“ bereitgestellt wurden. Isoscope sei auch kein Routenplaner, so von Lupin. Was ist es dann? „Es ist eine Art Erkundungstool, mit dem ich mehr über meine Nachbarschaft und die Charakteristik der Mobilität in meiner Umgebung herausfinden kann“, sagt Kaim. „Uns geht es darum, den Puls der Stadt mit seinen Aufs und Abs darzustellen“, ergänzt von Lupin.

Erst kürzlich habe er sich mit einem Inder unterhalten, der auf Isoscope sofort seine Heimatstadt Neu-Delhi ansteuerte, erzählt von Lupin. „Ohne jemals dort gewesen zu sein, konnte ich ihm erklären, wo es dort Staus und wo es Bewegung gibt und wie die Stadt funktioniert. Er wiederum konnte seine eigenen gefühlten Erfahrungen visualisiert sehen.“

Die drei Studenten waren selbst überrascht von den Verwendungsvorschlägen für Isoscope, die sie in diversen Internet-Foren fanden: „Immer wieder wurde der Witz gemacht, das sei perfekt zur Planung von Fluchtwegen nach Bankeinbrüchen“, sagt von Lupin. Ein Kanadier kritisierte, ihm nutze es nichts, zu wissen, wo man in zehn Minuten hinkomme – in der kanadischen Provinz mache das erst ab einer Stunde Sinn. Ein Familienvater hingegen zeigte sich begeistert von Isoscope, da seinem Kind spätestens nach zehn Minuten immer schlecht vom Autofahren werde. Er müsse sich deswegen genau überlegen, wohin er in dieser knappen Zeitspanne überhaupt fahren könne.

Eine Weiterentwicklung oder Kommerzialisierung der Software ist jedoch nicht geplant. „Wir freuen uns einfach, wenn das Interesse an dem Projekt weiterhin besteht“, sagt von Lupin. Entstanden war Isoscope ohnehin nicht als Geschäftsidee, sondern als Projekt innerhalb eines FH-Kurses, in dem das Thema Mobilität vorgegeben war. Die Studenten sehen das Ganze eher aus der Design-Perspektive: „Ich persönlich habe einfach Spaß an Daten-Visualisierungen und wollte in erster Linie etwas machen, das schön aussieht“, sagt von Lupin.

www.flaviogortana.com/isoscope

nbsp;Erik Wenk

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