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Homepage: Die Blume der Medea

Die stark giftige Kaukasus-Herbstzeitlose

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Im Botanischen Garten der Universität Potsdam gibt es zahlreiche exotische und heimische Pflanzen zu bewundern. In den PNN stellen Biologen einmal im Monat eine dieser Pflanzen vor.

Es müssen beunruhigend kräftige Männer gewesen sein, die dem großen, schnellen Schiff entstiegen. Ihr Anführer Jason kam schnell auf das zu sprechen, was sie wollten: den größten Schatz des Königs, ein Schaffell aus purem Gold. Trotz dieser Unverschämtheit wurden sie als Gäste behandelt, ja, der König von Kolchis machte ihnen sogar ein Angebot: Jason müsse nur rasch ein paar Heldentaten erledigen, dann könne er das Goldene Vlies mit nach Hause nehmen.

Allerdings hätten die verlangten Heldentaten den Helden selbst rasch erledigt, wie der König sehr wohl wusste – feuerspeiende Stiere, dutzendweise aus Drachenzahnsaat gewachsene Riesen in Kampfausrüstung und ein furchterregender Drache waren zu überwinden. Aber seine eigene Tochter Medea hinterging des Königs Pläne, denn sie hatte sich in den fremden Helden verliebt und half ihm mit ihren Zauberkräften, die maßgeblich auf giftigen und magischen Pflanzen beruhten. Auf der Flucht mit den Fremden zögerte sie nicht, ihren eigenen Bruder ins Schwert ihres Geliebten zu locken. Später verjüngte sie erfolgreich ihren Schwiegervater, indem sie ihn zerstückelt in einem Zaubertrank kochte, und tötete dessen finsteren Bruder mit derselben Prozedur, aber den falschen Zauberpflanzen. Schließlich brachte sie die mit Jason gezeugten Kinder um, als dieser sie wegen einer neuen Frau verstieß, nicht ohne zuvor auch die jüngere Rivalin mithilfe eines vergifteten Gewandes grausam zu ermorden.

Die hier kurz zusammengefasste Argonautensage, in deren grausigen Abgründen jedes moderne Splattermovie spurlos verschwindet, gehört zum Grundbestand unseres westlichen „christlich-jüdischen“ kulturellen Erbes. Bis heute fasziniert sie Schriftsteller, Komponisten und Theaterleute. Allein Wikipedia nennt über 20 literarische Medea-Bearbeitungen bis zu Christa Wolf, die den blutrünstigen Mythos umdeutet als Schuldprojektion einer mörderischen Gesellschaft auf eine selbstbewusste, kräuterkundige Frau.

Herbstzeitlosen werden schon seit langem mit diesem Mythos in Verbindung gebracht. Ovid nennt Medeas Pflanzengifte ‚venena Kolcha’, Plinius der Ältere und Dioskurides erwähnen colchicon bzw. kolchikon, und alle meinten damit bereits vor rund 2000 Jahren wahrscheinlich die wunderschönen, aber überaus giftigen Herbstblumen. Auch ihr Linnéscher Name Colchicum bezieht sich auf Medeas kaukasische Heimat, die inzwischen schon längst Georgien heißt. Die moderne Botanik kennt mittlerweile über 100 Arten der Gattung, wovon acht tatsächlich in dem Land am Ostufer des Schwarzen Meeres vorkommen. Eine davon, die Kaukasus-Herbstzeitlose (Colchicum speciosum), gilt als die Medea-Pflanze. Sie hat sehr große lilafarbene Blüten, oft mit weißem Blütenzentrum. Im Garten kann man sie gut im Randbereich von Gehölzen ansiedeln, gern im lichten Schatten vor dunklen Koniferen, wo sich ihre großen Blüten im Herbst kontrastreich abheben. Erst im folgenden Frühling erscheinen dann die hellgrünen Blätter. An zusagenden Standorten werden die Pflanzen über die Jahre sehr kräftig und blühen überreich. Wegen der enormen Giftigkeit ist bei allen Herbstzeitlosen Vorsicht geboten, besonders mit Kindern. Michael Burkart

Blühenden Herbstzeitlosen sind derzeit im Freigelände des Botanischen Gartens an der Maulbeerallee zu sehen. Am Sonntag gibt es dort zudem um 14 Uhr eine Gewächshausführung zum Thema „Fruchtig frisch – exotische Früchte“ mit Verkostung.

Michael Burkart

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