Landeshauptstadt: Die brennende Kuppel
Als 17-Jähriger fotografierte Christian Hepner den Brand und starb wenige Tage später
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Die Aufnahme der brennenden Waisenhauskuppel ist eines der ganz wenigen fotografischen Zeugnisse über die Beschießung der Potsdamer Innenstadt durch die Rote Armee in den letzten Apriltagen des Jahres 1945. Laut Stadthistoriker Hartmut Knitter existieren solche Fotos sonst nur für den Turm der Heiliggeistkirche und das Schauspielhaus. Mit dem Beschuss begannen die Sowjets, nachdem ihr Angriff von Süden am 27. April an der zerstörten Langen Brücke ins Stocken geraten war. Dabei wurden vor allem Türme und andere erhöhte Bauten ins Visier genommen, auf denen man Feuerleitstellen der Wehrmacht vermutete.
Die Aufnahmen von der inzwischen wieder aufgebauten Waisenhauskuppel sind auf ungewöhnliche und tragische Weise mit dem Schicksal einer Potsdamer Familie verbunden. Sie stammen von dem am Kriegsende 17 Jahre alten Christian Hepner, der dafür die Kamera seiner Mutter benutzte. Die Familie wohnte im obersten Geschoss des Ständehauses Breite Straße 10/11, das später vom Potsdam-Museum genutzt wurde. Nach einem Bombentreffer musste sie sich auf drei kleine Stuben beschränken.
Als Maria Hepner die Fotos der brennenden Kuppel nach dem Krieg an das Potsdam-Museum übergab, sagte sie unter Tränen: „Zur Erinnerung an meinen Sohn.“ Christian war nämlich wenige Tage, nachdem ihm die Aufnahmen gelungen waren, im Nachbarhaus Breite Straße 9 erschossen aufgefunden worden, mit ihm ein etwa gleichaltriger Junge. Die Verletzungen deuteten auf eine Hinrichtung hin. Hartmut Knitter geht davon aus, dass die beiden von den Russen für Mitglieder des „Wehrwolfs“ gehalten wurden, einer nationalsozialistischen Partisanentruppe, die jedoch kaum noch wirksam wurde.
Dazu gehörte Christian aber auf keinen Fall, denn sein Vater, der Fotochemiker Dr. Hepner, war jüdischer Abstammung und vor den Nazis nach England emigriert. Die Mutter blieb mit den drei Kindern in Potsdam zurück. Die ältere der beiden Töchter folgte ihrem späteren Ehemann nach Schweden. Christian wurde in den 40er Jahren in einem Arbeitslager interniert, war aber kurz vor Kriegsende nach Potsdam zurückgekehrt.
Die Mutter begrub ihren erschossenen Sohn unter einer Kastanie auf dem Waisenhaushof. Von dort wurde er, wie PNN vom Bereichsleiter Friedhöfe der Stadtverwaltung, Gunther Butzmann, erfuhren, am 19. Dezember 1945 auf den Neuen Friedhof umgebettet. Sein Grab ist nicht erhalten, obwohl ihm als Kriegsgräberstätte Schutzstatus zugestanden hätte. Um die Aufklärung des Schicksals von Christian Hepner bemühte sich von Schweden aus der Mann seiner Schwester, Björn Hermond, bei den DDR-Behörden vergeblich. Er traf dabei in Potsdam auch mehrfach mit Knitter zusammen.
Maria Hepner arbeitete nach dem Kriege freiberuflich bei der Betreuung der Bestände, der Vorbereitung von Ausstellungen und als Fotografin für das Potsdam-Museum. Hartmut Knitter, der dort 1957 seine Tätigkeit aufnahm, lernte die bereits über 60-Jährige als lebenstüchtige, unangepasste Frau schätzen. Sie war ins Visier der Besatzer geraten, nachdem ihre jüngere Tochter beim Volksaufstand des 17. Juni 1953 russische Panzer fotografiert hatte und bis Ende der 50er Jahre ins Gefängnis gesteckt wurde. Auch die Mutter wurde inhaftiert, aber bald wieder freigelassen. Auch General a. D. Otto Korfes, damals Bezirksausschussvorsitzender der Nationalen Front, soll sich für sie verwendet haben.
Maria Hepner ging in den 60er Jahren in den Westen. Nach der deutschen Wiedervereinigung bot ein Familienmitglied in der Kriegs- und Nachkriegszeit von ihr aufgenommene Potsdam-Fotos an, die für die Erforschung und die Darstellung dieser Periode zweifellos von Bedeutung gewesen wären. Der an die Stadtverwaltung übergebene Koffer ging jedoch verloren. Zwar erstritt Jan Hepner vor Gericht eine geringfügige Entschädigung - die wertvollen Aufnahmen aber blieben verschollen.
Erhart Hohenstein
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