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Landeshauptstadt: Die Bürger als Bauherren
Mehr Fragen als Antworten auf erstem Architekturgespräch 2011 zu Demokratie und Baukunst
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Innenstadt – Die Projektion des Einsteinturms auf dem Telegrafenberg schwebte drei Stunden lang über dem Podium beim Architekturgespräch am Donnerstagabend im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte. „Wie viel Demokratie braucht die Baukultur – wie viel Demokratie verträgt die Baukultur“ , lautete das Thema der Veranstaltung der Brandenburgischen Architektenkammer. „Demokratie als Bauherr?“, an diese Frage der sechziger Jahre erinnerte der Karlsruher Architektursoziologe Werner Sewing.
Auf den Einsteinturm bezogen ließe sich spekulieren, ob solch ein Jahrhundertbauwerk unter heutigen Bedingungen mit Bürgerbeteiligungen und -initiativen überhaupt möglich gewesen wäre. Bekanntlich ist 80 Jahre später das Bad-Highlight des legendären Brasilianers Oscar Niemeyer für den Brauhausberg gescheitert – vordergründig wegen gestrichener Fördergelder, aber auch weil diese Art der Moderne „nicht zu Potsdam passt“. Aus dem selben Grund erhielt das Potsdam-Center nach vielem Hin und Her die jetzige Klinkerfassade.
Fragen nach schöpferischer Originalität und Moderne stellte das Architekturgespräch nur zaghaft. Vielmehr waren sich fast alle einig, dass eine frühzeitige Einbeziehung der Bürgerschaft bei öffentlichen Bauvorhaben bei aller Komplizierung der Planungsverfahren notwendig sei. „Das hätte die Eruptionen bei Stuttgart 21 verhindert“, meint Sewing. Die Stuttgarter Protestbewegung gegen den neuen Bahnhof durchzog seinen Vortrag wie ein Trauma. Zwar sei der „Bürger nicht per se ein besserer Mensch als der Experte“, aber er könne „Macht- und Wissenskonzentrationen“ aufbrechen. „Inzwischen gibt es viele kleine Stuttgarts 21“, sagt Sewing.
Als einzige Vertreterin Potsdams saß Martina Engel-Fürstberger auf dem Podium. Die FDP-Fraktionschefin in der Stadtverordnetenversammlung musste sich nach eigenem Bekunden vor ihrem Eintritt in „die Politik“ erst einmal erklären lassen, wie Entscheidungsprozesse parlamentarisch zustande kommen. Bürgerinitiativen sollten von Anfang an „mit eingebunden“ sein. Politik und Verwaltung müssten dem Reflex widerstehen, sich abzuschotten. Viele Vorhaben bedürfen der Bürgerbefragung, wie das der Argus-Verein für das Stadtschloss versucht habe: „Damals hat sich eine Mehrheit über alle Generationen hinweg für das Stadtschloss ausgesprochen.“
Demokratie als Bauherr? Oder gar: Demokratische Architektur? Diese Fragestellungen blieben auf dem 1. Architekturgespräch in diesem Jahr weitgehend im Raum. Selbstbewusste Standpunkte von Architekten zur Überzeugungskraft professioneller Baukunst waren nicht zu hören. „Auch die Funktionsträger sind Teil der Demokratie“, hieß es zu Recht. Aber das ausgeklügelte gesetzliche Verfahren bis zur Baugenehmigung sei mit Mängeln behaftet. „Bei der Bürgerbeteiligung wird irgendwas auf einem Flur ausgehängt, das der Bürger nicht versteht“, sagt Jörg Limberg, Denkmalpfleger in der Stadtverwaltung. Und Engel-Fürstberger fordert: „Die Vorschläge müssen so visualisiert werden, dass das Bauvorhaben vorstellbar ist.“ Günter Schenke
Günter Schenke
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