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Von Juliane Wedemeyer: Die das Staubsaugen liebt

Dass der Samstag heute Tag der Putzfrauen ist, weiß Brigitte Pöggel nicht. Ihr geht es darum, ihren Job gutzumachen

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Manchmal kommt sie sogar am Wochenende in die Redaktion. Nur so, um zu gucken, ob alles noch am rechten Fleck ist. Bezahlt wird Brigitte Pöggel dafür nicht. „Das ist ja meine Freizeit, ich mache das aus Spaß“, sagt sie. Und weil nie etwas am rechten Fleck ist in der PNN-Redaktion, putzt die 72-Jährige an ihren Arbeitstagen als erstes die Küche. Dann kauft sie sich einen Cappuccino am Kaffeeautomaten, setzt sich in den Konferenzsaal und packt ihre Brötchen aus. Frühstückszeit. „Ich liebe das hier“, sagt Brigitte Pöggel.

Es ist ihr Reich. Morgens, wenn sie hier ankommt, herrscht sie dort allein. Um fünf Uhr liegen die Zeitungsmitarbeiter noch im Bett. Brigitte Pöggel sieht sie fast nie, aber sie weiß genau, wer an welchem Tisch sitzt. Sie weiß, wer ein Kind hat, „manchmal liegen auf dem Schreibtisch Blätter mit Kindergekritzel“; sie weiß, wer gern während der Arbeit Nüsse knackt und wer gerade Geburtstag hatte. Wenn im Tagesstress die Blumen auf dem Schreibtisch liegen geblieben sind, ist sie es, die sie am nächsten Morgen in eine Vase stellt.

Brigitte Pöggel wohnt in Caputh, jeden Morgen nimmt sie den Bus um 4.45 Uhr nach Potsdam. Von montags bis freitags – seit elf Jahren. Sie arbeitet für eine Reinigungsfirma. Insgesamt zehn solcher Unternehmen stehen in den Gelben Seiten der Stadt Potsdam. Wie viele Putzfrauen es gibt, ist nicht bekannt. Denn viele, gerade in den Privathaushalten arbeiten schwarz um ihr Hartz IV-Geld aufzubessern. Brigitte Pöggel will sich ein bisschen Geld zu ihrer Rente hinzuverdienen: Etwas mehr als 6 Euro pro Stunde erhält sie. Für 1,55 Stunden täglich werde sie bezahlt, sagt sie. „In der Zeit muss ich alles geputzt haben.“ In dieser Zeit saugt sie 650 Quadratmeter, putzt vier Toiletten, wischt 53 Schreibtische ab, leert ebenso viele Papierkörbe und räumt zwei Teeküchen auf. Am liebsten ist ihr das Staubsaugen, sagt sie. Wenn sie mit schwungvollen Bewegungen die Maschine über den Boden gleiten lässt. Sie habe einen wunderschönen Job, sagt sie.

Dabei hatte Brigitte Pöggel schon viele Berufe: Die gebürtige Fahrländerin ist das älteste von zehn Kindern eines Holzfällers und einer Hausfrau. Mit 14verließ sie die Schule, um Verkäuferin zu lernen. Sie arbeitete im Konsument, dem heutigen Karstadt Kaufhaus. Mit 18 bekam sie dann das erste Kind. Es folgten fünf weitere. Mit ihnen und ihrem Mann zog sie später nach Spremberg, um Schichten im Tagebau „Schwarze Pumpe“ zu schieben. Nach der Scheidung zog sie zurück nach Potsdam und arbeitete als Küchenkraft in Kleinmachnow. Aber jetzt ist sie Rentnerin. Sie hat zwölf Enkel, aber die Wohnen wie ihre Kinder in der ganzen Republik verstreut. Sie könnten sie sowieso nicht alle auf einmal besuchen, ihre Rente reicht nur für eine Einraumwohnung. Aber sie hat eine kleine Gartenecke mit Hollywoodschaukel, auf der sie manchmal dicke Schmöker liest. „Vom Winde verweht“ zum Beispiel.

Nur im Winter, da sei ihr am Wochenende schon manchmal langweilig, sagt sie. Ihre Lieblingsschwester hat auch nicht immer Zeit für einen Einkaufsbummel im Stern-Center. Und mit dem Putzen ist sie in ihrer Einraumwohnung auch schnell fertig. Zum Glück hat sie den Schlüssel zur PNN-Redaktion.

Juliane Wedemeyer

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