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Landeshauptstadt: „Die Drewitzer sind die Experten“

Potsdams Baubeigeordneter Matthias Klipp Beigeordneter über politische Fehleinschätzungen und mit einem Blick in die Zukunft

Stand:

Herr Klipp, bis 2025 soll aus dem alten DDR-Plattenbaugebiet Drewitz mit einer schwierigen sozialen Struktur eine lebenswerte Gartenstadt mit hohem ökologischem Standard werden. 2009 wurde das Projekt „Gartenstadt Drewitz“ vom damaligen Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) ausgezeichnet. Warum ist das ambitionierte Vorhaben dennoch anfangs auf so große Ablehnung bei den Bewohnern gestoßen?

Der Beginn war etwas sperrig. Die Pro Potsdam hat aber keinen Fehler gemacht. Eher ist die Politik einer Fehleinschätzung unterlegen. Die Gefahr bei Politikern ist, dass wenn sie selbst von etwas überzeugt sind, sie schnell glauben, dass auch alle anderen nur begeistert sein können. Die Enttäuschung folgt dann meist auf dem Fuße. Das war aber schwierig vorauszusehen. Die Stadtverordnetenversammlung hatte sich ja für Potsdamer Verhältnisse sehr schnell und über alle Parteigrenzen hinweg zum Konzept bekannt, dann aber richtig auf die Mütze bekommen. Das war eine harte Zeit. Daraus haben wir gelernt.

Was genau haben Sie daraus gelernt?

Wir haben auf jeden Fall gelernt, die Bürger nicht nur mitzunehmen, sondern direkt zu beteiligen. Nach einem etwas verpatzten Auftakt haben wir uns auf die Grundsätze der behutsamen Stadterneuerung besonnen. Da komme ich ja eigentlich auch politisch her. Einer der Grundsätze lautet, dass die Betroffenen die Experten sind. Daraufhin haben wir die Wahl der Bürgervertretung und das wirklich ergebnisoffene Werkstattverfahren durchgeführt. Dabei ist tatsächlich der Funke der Begeisterung übergesprungen, weil die Anwohner gemerkt haben, dass sie wirklich mitentscheiden können, was da gemacht wird.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Probleme des Stadtteils?

Der Stadtteil hatte im Vergleich zu anderen Stadteilen Potsdams schon die größten sozialen Probleme. Dort gibt es die meisten Haushalte mit Empfängern von Transferleistungen, fast die Hälfte der Kinder lebt in Einelternhaushalten. Das ist aber eben auch Potsdam. Die Gefahr ist ja immer, dass dann so ein Negativimage entsteht. Das würde dem Stadtteil aber nicht gerecht werden, auch nicht den dort vorhandenen Potenzialen. Dieser Stadtteil hat durch seine gemischte Bewohnerschaft eine unvergleichliche Kraft, an Selbstlösungen zu arbeiten. Eine soziale Problemlage muss mitnichten eine Ideenlosigkeit oder Apathie bedeuten. Menschen, die es nicht so einfach wie andere haben, kommen oft auf die kreativsten Ideen.

Was wird 2025 in Drewitz alles anders sein?

Ich denke, 2025 ist der Wohnungsbestand weitgehend saniert, mit unterschiedlichen Standards und mit unterschiedlichen Mieten. Der Stadtteilpark wird fertig sein, das Grüne Kreuz ebenfalls. Die soziale Infrastruktur ist bereits jetzt saniert. 2025 ziehen Familien nicht wegen der Probleme in Drewitz weg, sondern gezielt hin, weil es dort gute, preiswerte Wohnungen und ein gutes Wohnumfeld gibt. Aber wir haben uns auch ökologisch einiges vorgenommen, unter anderem soll der Kohlendioxidausstoß deutlich reduziert werden. 2025 wird Drewitz mit dem Fahrrad von der Innenstadt aus ganz wundervoll erreichbar sein, der Radschnellweg wird fertig sein. Man wird mit dem Fahrrad schneller in Drewitz sein als mit dem Auto.

Welche Faktoren sind aus Ihrer Sicht für den Erfolg des Projektes entscheidend?

Die Beteiligung der Bevölkerung war und ist entscheidend und damit auch die Akzeptanz. Wenn sie sehen, wie der Stadtteilpark heute schon angenommen wird, wird mir ganz warm ums Herz. Sehr wichtig war auch die Kooperationsvereinbarung mit der Pro Potsdam zur sozialverträglichen Sanierung der Wohnungen. Es hat viele Ängste gegeben, die machen da ihren schönen Stadtteil und wir kommen darin gar nicht mehr vor.

Gab es Vorbilder aus anderen Städten, an denen sich Stadt und Pro Potsdam orientieren konnten?

Wir haben nicht abgeschrieben, sonst hätten wir auch keinen Preis bekommen.

Was kostet das Ganze, gibt es Fördermittel?

Insgesamt sind Investitionen in Höhe von rund 290 Millionen Euro geplant, davon allein neun Millionen Euro für die Aufwertung des öffentlichen Raums, vor allem für den Stadteilpark. Zum Glück gibt es jede Menge Fördergeld, zum Beispiel Mittel der Kreditanstalt für Wiederaufbau, aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und Gelder aus dem Programm „Soziale Stadt“. Aus Eigenmitteln der Stadt allein wäre das Projekt so nicht umsetzbar.

Könnte die Gartenstadt eine Blaupause für andere problematische Potsdamer Stadtteile wie den Schlaatz sein?

Von Blaupausen halte ich überhaupt gar nichts. Mag sein, dass es einige Ähnlichkeiten gibt zwischen Drewitz und dem Schlaatz, aber mindestens auch so viele Unterschiede. Das heißt aber nicht, dass man nicht einzelne Elemente, wie die sehr intensive Bürgerbeteiligung, übernehmen kann, wenn noch mal ein ähnliches Projekt anstünde.

Das Interview führte Matthias Matern

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