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Ein eigenes Amt. Über Enteignungen entscheidet eine extra Behörde.

©  PNN

Landeshauptstadt: Die Enteignung hat begonnen

Die Stadt will 21 Anrainer am Groß Glienicker See enteignen lassen, um dort einen öffentlichen Uferweg zu bauen. Ariana De Ment war die Erste, die gestern zur Verhandlung in die Enteignungsbehörde geladen war

Von Katharina Wiechers

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Potsdam - Der Ort, an dem über das größte Enteignungsverfahren in Potsdam seit der Wende entschieden wird, ist denkbar unspektakulär: Ein kleiner Raum im brandenburgischen Innenministerium an der Henning-von-Tresckow- Straße mit grünem Linoleumboden und einem großen Tisch in der Mitte. Als erste von insgesamt 21 Potsdamern musste dort gestern Ariana De Ment Platz nehmen. Sie hat ein Haus am Groß Glienicker See, und weil sie sich gegen den geplanten Uferweg wehrt, soll sie nun enteignet werden – zumindest teilweise.

Schon seit vier Jahren streitet sich die Stadt mit den Anwohnern am westlichen Seeufer. Sie will dort einen öffentlich zugänglichen Uferweg bauen und darf dies theoretisch auch, denn seit 1999 gibt es einen gültigen Bebauungsplan und somit Baurecht. Doch als die Stadt den Weg 2009 endlich in Angriff nehmen wollte, stellten sich einige Anrainer quer. Vier von ihnen gingen sogar so weit, den bereits bestehenden Weg auf ihren Grundstücken – einst Postenstrecke der DDR-Grenzer – mit Zäunen oder dichten Büschen zu sperren.

Doch nicht alle Anwohner waren von Anfang an gegen einen Weg, einige wenige willigten sofort in die Pläne der Stadt ein, andere wiederum knüpften einen öffentlichen Uferweg über ihre Grundstücke an Bedingungen. Dazu zählte auch Ariana De Ment, wie ihr Anwalt, Johannes Dombrowski sagt. Sie wollte im Gegenzug von der Stadt die Erlaubnis, ihr Grundstück rechts und links des Weges mit Hecken vor den Blicken neugierigerer Spaziergänger zu schützen. Und sie bestand darauf, dass der Weg so bleibt, wie er ist. Der Bebauungsplan sieht nämlich vor, nicht den alten DDR-Postenweg öffentlich zugänglich zu machen, sondern einen neuen, teilweise weiter oberhalb verlaufenden Weg zu bauen. Anfangs sah es noch so aus, als ob ein Kompromiss gefunden würde, doch dann verhärteten die Fronten und beide Seiten stellten auf stur. Letztlich entschied sich Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) für das härteste Mittel: Enteignungen.

Ob das zulässig ist und wie hoch die Entschädigungen sein müssen, entscheidet das Brandenburger Innenministerium – dort ist die Enteignungsbehörde angesiedelt. Als Erstes wurde nun der Fall von Ariana De Ment verhandelt, sie soll der Stadt nun zwangsweise Wegerecht einräumen. Fast drei Stunden saßen sie, ihr Anwalt und Vertreter der Stadt mit der zuständigen Beamtin zusammen, doch eine Entscheidung soll erst bei einem zweiten Termin fallen. Anwalt Dombrowski rechnet damit, dass dieser im ersten Quartal 2014 stattfinden wird.

Bei der Stadt ist man optimistisch, dass die Enteignung tatsächlich durchgeht – allerdings womöglich mit Abstrichen. So bemängelt Dombrowski, dass im Bebauungsplan ein Weg von nur drei Metern Breite eingetragen wurde, in dem Enteignungsantrag aber plötzlich von vier Metern die Rede ist. Außerdem will die Stadt nun nicht mehr nur einen Fuß-, sondern auch einen Radweg daraus machen – auch das ist in den Unterlagen von 1999 nicht vorgesehen. „Die Enteignungsbehörde hat der Stadt empfohlen, den Antrag zu reduzieren“, sagt Dombrowski.

In der Stadtverwaltung räumt man ein, dass man mit vier Metern plant: Drei Meter plus rechts und links je 50 Zentimeter Abstand. „Das ist so üblich“, sagt Sprecher Schulz. Auch dass auf dem Weg Fahrradfahren erlaubt sein soll, sei richtig. „Wir werden prüfen, inwieweit man das ändern kann“, sagt er.

Nicht abrücken will die Stadt aber von ihrem Plan, den Weg anders als die einstige Postenstrecke verlaufen zu lassen. Im Rathaus verweist man auf den 1999 damals noch vom Amt Fahrland verabschiedeten Bebauungsplan – von diesem könne nicht abgerückt werden, da sonst das ganze Vorhaben gefährdet wäre.

Ariana De Ment, eine zierliche Frau, die ihrer Homepage zufolge Coaching für Frauen anbietet, wohnt seit rund 20 Jahren in dem Haus am See. Seit den 1930er-Jahren sei es in Familienbesitz, sagt ihr Anwalt, und es sei nicht das erste Mal, dass die Familie enteignet werde: Zu DDR-Zeiten wurde das Haus zwangsversteigert, erst nach der Wende bekam Ariana De Ment es zurück.Katharina Wiechers

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