Landeshauptstadt: Die Erde lebt
Die „Forschungsgruppe Geomantie Potsdam“ weiß, wo in der Stadt die Atmungspunkte sind und sie kennt den Ort der roten Göttin
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Gregor Arzt macht mit einer Wünschelrute eine Linie aus, eine Linie des natürlichen Gitternetzes des Erde. Sie führt direkt durch die Wohnung von Petra Junghähnel. Die Psychologin bildet zusammen mit dem studierten Philosophen Arzt und dem Ingenieur Hartmut Solmsdorf die „Forschungsgruppe Geomantie Potsdam“. Geomantie ist in Europa in etwa das selbe wie Feng Shui in China: Beide Ansätze gehen davon aus, dass die Erde ein lebendiges Wesen ist, dass es Kraftlinien gibt, Energieströme, Meridiane oder auch besondere Punkte, Ein- und Ausatmungspunkte beispielsweise.
Immer wieder schnellt die Rute hoch. Arzt ruft zur Nachahmung auf und tatsächlich, die Linie ist nicht zu überschreiten, ohne dass die beiden miteinander verbundenen Plastikstäbe reagieren – wenn man die Rute richtig hält und sich nicht dagegen sträubt. Arzt führt die Rutenbewegung auf Veränderungen im Muskeltonus zurück. Aber selbst wenn der Proband völlig verkabelt wird, zu messen sei der Effekt nicht. „Wir sind nicht mehr auf der physikalischen Ebene“, sagt Arzt.
Die Geomantie-Gruppe hat in der zurück liegenden Zeit die geomantischen Strukturen Potsdams untersucht. Ihrer Ansicht nach hat der erste Planer Potsdams, Johann Moritz von Nassau-Siegen (Das gantze Eyland mus ein paradis werden!“), die Potsdamer Insel mit den geomantischen Gegebenheiten beplant. Heute dagegen, sagt Solmsdorf, „wird oft nicht mit der Natur, sondern gegen sie gebaut“. Solmsdorf zeigt einen Plan von Potsdam und Umgebung, zusammengesetzt aus 18 Blättern des ersten Brandenburgischen Atlasses. Schon darauf sind Arzt zufolge die geomantischen Hauptlinien Potsdams als Alleen eingezeichnet: die Allee gegen Panenberg (der Ehrenpfortenberg), heute die Breite Straße, die Allee gegen Eichberg (Pfingstberg), heute die Lindenstraße/Jägerstraße. Wer diese Linien, auch als Sichtachsen bezeichnet, näher untersuche, der komme darauf, dass die Beziehung nicht Zufall sein könne, findet Arzt. Eine gedanklich über die Breite Straße hinaus gezogen Linie führt durch das Neue Palais und zum Kloster Jerichow in Sachsen-Anhalt. Eine Linie führt im Stadtschloss durch das Fortuna-Portal zur Französischen Kirche und zum Schloss Cecilienhof. Der Alte Markt ist für die Geomanten der zentrale Platz in Potsdam.
Gemäß alteuropäischer Ausdrucksweisen ist er der „Ort der roten Göttin“. In Anlehnung an die drei Daseinszyklen alles Lebenden stehe der Alte Markt für die „Fülle“, die Lebensmitte. Der Ort der Jugend, der „weißen Göttin“, soll der Pfingstberg, der Ort des Alters, der „schwarzen Göttin“, soll die Villa Karlshagen in Potsdam-West sein. Wie die Villa ist das Alter verwahrlost, „das will keiner haben in Potsdam“, findet Petra Junghähnel. Arzt zufolge hat Potsdam auch „Chakren“ in Anlehnung an die altchinesische Medizin: der Obelisk ist das Solarplexus-Chakra, das Herz-Chakra liegt im Park Babelsberg. Auch gäbe es Atmungspunkte: Das südliche Becken am Neuen Palais ist demnach der Ein-, der Goetheplatz in Babelsberg der Ausatmungspunkt.
Die Geomanten wären gern an den Planungen für den Alten Markt und an anderen Bauvorhaben Potsdams beteiligt. Jeder Ort habe eigene Strukturen, die beachtet werden sollten. Auf einen Einatmungspunkt etwa dürfe nach Möglichkeit keine Betonplatte gesetzt werden.
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