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Bohrinsel vor Norwegen. Mikroorganismen erschweren die Erdöl-Förderung.

© dpa

Von Heinz Wilkes: Die Erdöl-Feinschmecker

Mikroorganismen verschlechtern die Qualität des Erdöls in Lagerstätten. Tragen sie auch zum globalen Klimawandel bei?

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Das Wissenschaftsjahr 2010 befasst sich mit der „Zukunft der Energie“. In den PNN stellen Wissenschaftler des GeoForschungsZentrums in Potsdam (GFZ) ihre Forschungsprojekte dazu vor.

Die Nutzung von Erdöl und Erdgas durch den Menschen hat seit dem 19. Jahrhundert eine explosionsartige Entwicklung genommen und ist eine der treibenden Kräfte für den technologischen Fortschritt im Industriezeitalter. Erdöl stellt heute einen der wichtigsten Rohstoffe für die Produktion in der chemische Industrie dar, ist vor allem aber eine außerordentlich wichtige Energieressource, aus der Benzin, Diesel, Kerosin oder Heizöl gewonnen werden.

Allerdings war es nicht der Mensch, der erstmals Nutzen aus dem hohen Energiegehalt von Erdöl bzw. seinen Inhaltsstoffen gezogen hat. Vermutlich bereits vor mehreren Milliarden Jahren entstanden auf der Erde Mikroorganismen, die Kohlenwasserstoffe als Nahrung und zum Aufbau ihrer Zellen verwerten können. Kohlenwasserstoffe sind die Hauptbestandteile von Erdöl und Erdgas. Mikroorganismen, die solche Verbindungen abbauen, spielen eine große Rolle für die Erholung des Ökosystems im Golf von Mexiko nach dem Untergang der Bohrplattform Deepwater Horizon im April dieses Jahres oder anderen durch Erdöl verursachten Umweltschäden.

Erdölabbauende Mikroorganismen treten aber auch in Erdöl- und Erdgaslagerstätten auf. Dort sind sie Teil der sogenannten „Tiefen Biosphäre“, deren Existenz bis vor kurzem weitgehend unbekannt war. Wissenschaftler des Deutschen GeoForschungsZentrums (GFZ) in Potsdam untersuchen, unter welchen Bedingungen sich mikrobielles Leben in den Lagerstätten besonders stark entfaltet und welche Folgen dies für die Erdöl- und Erdgasvorkommen hat. Es zeigt sich, dass die Mikroorganismen „Feinschmecker“ sind, die die hochwertigen Bestandteile des Erdöls bevorzugt abbauen.

Für den Menschen ist das weniger vorteilhaft. Denn in den dabei entstehenden Rückständen kommt es zu einer Anreicherung unerwünschter Bestandteile, die die physikalischen Eigenschaften des Erdöls so verändern, dass die Förderung mit erheblich höheren technischen Schwierigkeiten verbunden ist. Da insbesondere Schadstoffe wie Schwefelverbindungen oder Schwermetalle angereichert werden, geht von der Nutzung solcher Erdöle aber auch eine deutlich höhere Gefährdung der Umwelt aus.

Der biologische Abbau von Kohlenwasserstoffen kommt bei einer Temperatur von etwa 80 Grad Celsius zum Erliegen. Da die Temperatur in der Erdkruste mit der Tiefe zunimmt, sind vor allem relativ flache Lagerstätten bis zu einer Tiefe von etwa 3000 Metern betroffen. Ein wesentliches Merkmal der Ökosysteme in der Tiefe ist das völlige Fehlen von Sauerstoff, der bekanntlich für Organismen an der Erdoberfläche unverzichtbar ist. Die Mikroorganismen sind daher auf andere Atmungsprozesse angewiesen, in denen sie den Sauerstoff durch Stoffe wie Nitrat oder Sulfat ersetzen. Dadurch wird die Verwertung der Kohlenwasserstoffe erschwert. Die Mikroorganismen besitzen jedoch ganz besondere und bislang unbekannte Enzyme, die trotzdem eine vollständige „Verbrennung“ der Kohlenwasserstoffe zu Kohlendioxid und damit die Nutzung der in ihnen enthaltenen Energie ermöglichen.

Erdöllagerstätten, in denen Mikroorganismen gelebt haben oder noch leben, sind weltweit verbreitet. Ein wichtiges Studiengebiet der GFZ-Forscher ist die Nordsee. Hier gibt es viele flache Lagerstätten, in denen häufig biologische Abbauprozesse auftreten. Durch detaillierte Untersuchungen an ausgewählten Lagerstätten konnten wichtige Erkenntnisse über die Mechanismen der Abbauvorgänge gewonnen werden. Es wurden neue Methoden entwickelt, um das Ausmaß dieser Prozesse zu bestimmen.

Diese Erkenntnisse sind für den Menschen und seinen Lebensraum von großer Bedeutung. Sie tragen dazu bei, mit größerer Wahrscheinlichkeit Lagerstätten zu finden, aus denen hochwertiges Erdöl mit einer guten Energiebilanz und möglichst umweltverträglichen Eigenschaften gefördert wird. Gleichzeitig ermöglichen sie, die Menge der Treibhausgase Kohlendioxid und Methan zu ermitteln, die als Endprodukte der Abbauprozesse entstehen.

Die mögliche Rolle, die der Austritt dieser Gase aus den Lagerstätten in die Atmosphäre für den globalen Klimawandel spielt, wird in den Klimamodellen bislang nicht hinreichend berücksichtigt. Gigantische Ablagerungen von Ölsanden, insbesondere in Kanada und Venezuela, zeigen jedoch, dass der biologische Erdölabbau ein wichtiger Prozess im globalen Kohlenstoffkreislauf ist.

Der Autor ist Wissenschaftler in der Sektion Organische Geochemie des GeoForschungsZentrums Potsdam (GFZ)

Heinz Wilkes

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