zum Hauptinhalt

Homepage: „Die Ergebnisse bestätigen unsere Annahmen“

PIK-Meteorologe Gerstengarbe sieht in neuer Studie keinen Widerspruch zu bisherigen Aussagen „Wir müssen nicht ständig mit strengen Wintern rechnen“

Stand:

Herr Gerstengarbe, widerlegen die Ergebnisse der Petoukhov-Studie – kältere Winter in Europa – nicht bisherige Aussagen des PIK, dass die Winter in Europa durch den Klimawandel milder werden?

Die Ergebnisse der Studie stehen nicht im Widerspruch zu den bisherigen Aussagen des PIK. Im Gegenteil, sie bestätigen sie. Phasen starker Klimaänderungen, und wir befinden uns gerade in einer solchen Phase, werden immer begleitet von einem vermehrten Auftreten extremer Ereignisse. Ursache dafür ist die größere Instabilität des Klimas, das heißt, dass die Schwankungsbreite möglicher extremer Ereignisse größer wird. Deshalb beobachten wir zum Beispiel in Mitteleuropa auf der einen Seite das gehäufte Auftreten sehr milder Winter, das aber ab und zu unterbrochen wird durch einen kalten beziehungsweise sehr kalten Winter.

Wie sehen Daten dazu aus?

Der Monatsmittelwert der Lufttemperatur in Potsdam betrug im Januar 2007 +4.98 Grad, im Januar diesen Jahres aber -4.91 Grad. Vladimir Petoukhov hat mit seiner Studie eindrucksvoll die Hypothese, dass die extremen Ereignisse zunehmen, bestätigt – und im Fall extrem kalter Winter auch noch die mögliche Ursache für diese Erscheinung geliefert. Da extreme Ereignisse immer noch seltene Ereignisse sind, heißt dies nicht, dass wir jetzt ständig mit sehr kalten Wintern rechnen müssen.

Es wird also weiterhin wärmer?

Wir haben eine grundlegende Erwärmung, die auch weiter anhalten wird. Das gilt auch dann, wenn es in Mitteleuropa zu dem einen oder anderen extrem kalten Winter kommt. Die Erwärmung ist global und es ist normal, dass es in diesem Rahmen auf Grund der natürlichen Variabilität des Klimas regional zu einer kurzfristigen Abkühlung kommen kann. Zum Beispiel ist der letzte relativ kalte Winter in Mitteleuropa global gesehen kompensiert worden durch eine gleichzeitig aufgetretene extreme Hitzewelle in Australien.

Meteorologen behaupten nun aber immer wieder, der Erwärmungstrend sei gestoppt, habe sich sogar umgekehrt.

Dass der Erwärmungstrend gestoppt sei, ist falsch. An der Temperaturentwicklung von 1880 bis März 2009 ist deutlich zu erkennen, dass wir derzeit global eine Rekordwärme verzeichnen. Wie man aus dieser globalen Entwicklung schließen kann, der Erwärmungstrend sei gestoppt oder habe sich sogar umgekehrt, ist nicht nachzuvollziehen.

Es heißt auch, 2010 werde voraussichtlich etwas zu kalt.

Es ist falsch, von einzelnen Monatswerten auf die Entwicklung eines ganzen Jahres zu schließen, oder was häufig auch gemacht wird, von einzelnen Jahreswerten – meistens auch noch nur gültig für eine Region – auf die globale Entwicklung zu schließen. Erinnert sei hier nur an die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts, als einige „Experten“ annahmen, es käme die nächste Eiszeit, weil die Temperaturen in diesem Zeitraum nicht wie in der davor liegenden Phase anstiegen. Es war sogar ein leichter Rückgang zu verzeichnen, allerdings auf deutlich höherem Niveau als zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Auf Grund der natürlichen Schwankungsbreite des Klimas können solche Situationen auch heute noch jederzeit eintreten.

Wie sieht es für das Jahr 2009 aus, war es global zu warm oder zu kalt?

Von April 2009 bis März 2010 war es global so warm wie nie zuvor.

Seit einigen Monaten wird auch immer wieder behauptet, der Golfstrom – Europas Wärmepumpe – wäre messbar schwächer geworden.

Eine Aussage, dass der Golfstrom messbar schwächer geworden ist, kann zurzeit nicht getroffen werden. Grund dafür ist die Tatsache, dass es erst seit vier Jahren belastbare Messergebnisse zur Intensität des Golfstroms gibt. Diese kurze Messreihe reicht nicht aus, um eine belastbare Aussage zur zeitlichen Entwicklung zu machen. Zumal festgestellt wurde, dass es auch innerhalb eines Jahres zu erheblichen Schwankungen in der Intensität des Golfstroms kommt. Hier sind also noch einige Jahrzehnte Messungen notwendig, bevor man die Entwicklung des Golfstromes besser beschreiben kann.

Fragen von Jan Kixmüller

Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe leitet die Abteilung Klimasystem am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und ist Professor am Geographischen Institut der Humboldt-Uni Berlin.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })