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Landeshauptstadt: Die erste Villen-Rekonstruktion in Potsdam

An der Villa Jacobs am Ufer des Jungfernsees sind die Ausbauarbeiten im Gange / Zyklopenmauer wieder hergestellt

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Nauener Vorstadt - Der Maurer nimmt den großen Stein in die Hand, versucht ihn einzupassen, dreht ihn um und versucht es noch einmal. Ein Kalk ein Stein – so flott wie nach dieser Maurerformel geht es hier nicht voran. „Das ist manchmal wie ein Puzzle“, sagt der Mann und drückt den Stein in die vorbereitete Fuge. Dieses Puzzle spielt sich dieser Tage an der Villa Jacobs an der Bertinistraße ab. Was herauskommt, ist ein sogenanntes Zyklopen-Mauerwerk am Fuß der historisch anmutenden Turmvilla, die so historisch gar nicht ist, denn es handelt sich um eine Rekonstruktion – die erste einer Villa in Potsdam. Die Wiederherstellung der Mauer ist allerdings leichter als ein Puzzle, weil die Steine nummeriert sind. Die Zyklopenmauer erinnert an die des Belvederes auf dem Pfingstberg, entstand jedoch früher als diese.

Es ist das Verdienst des renommierten Berliner Architekten Stefan Ludes, der das Grundstück im Jahre 2006 mit dem Ziel erwarb, die von Ludwig Persius (1803 –1845) entworfene Villa wieder aufzubauen. Zwar noch eingerüstet, präsentiert sich der Bau bereits in der historischen Form und ist auf den ersten Blick nicht vom Original zu unterscheiden. „Das ist ein Glücksfall für die Potsdamer Kulturlandschaft“, sagt Richard Röhrbein, Herausgeber eines Buches über Potsdamer Turmvillen, beim Anblick des wieder auferstandenen Persius-Bauwerkes. Derzeit laufen die Innenarbeiten; der Bauherr will das Gebäude privat zum Wohnen und Arbeiten nutzen. „Wichtig ist gerade dieser Bau“, sagt Röhrbein, denn er verkörpere den Typus der „Villa Rurale“, also der ländlichen Villa, die für Potsdam so charakteristisch sei. Die Villa Jacobs sei ein ermutigendes Zeichen für den Wiederaufbau des Persius-Wohnhauses an der Ecke Schopenhauerstraße/Hegelallee. Wie berichtet, hatte sich der Ausschuss für Stadtplanung und Bauen am 13. Februar dafür ausgesprochen, die nach dem Kriege abgetragene Villa wieder errichten zu lassen. Ob und wann diese Pläne Wirklichkeit werden, bleibt allerdings fraglich. Auf jeden Fall hat die in kurzer Zeit erfolgte Rekonstruktion der äußeren Gestalt der Villa Jacobs am Ufer des Jungfernsees dazu beigetragen, dass an der Stelle des Persius-Wohnhauses nichts anderes als die historisch getreue Rekonstruktion entstehen darf. Im Idealfall würde das einzigartige Ensemble mit der Arnim-Villa auf der einen und dem Persius-Wohnhaus auf der anderen Seite vollständig wieder hergestellt sein.

Um das 40 000 Quadratmeter große Grundstück am aufsteigenden Ufer des Jungfernsees hatten sich im Jahre 2002 mehrere Bewerber bemüht, von denen am Ende der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG, Mathias Döpfner, übrig blieb. Döpfner wollte zwar die Villa Jacobs äußerlich wieder aufbauen lassen, doch die Uferpromenade für sich beanspruchen. Lediglich an zwei Tagen pro Quartal und am Tag des offenen Denkmals sollte das „Volk“ den Privatweg betreten dürfen. Die Stadtverordneten entschieden sich jedoch für den öffentlichen Uferwanderweg und Döpfner ließ daraufhin seine Kaufabsichten fallen. Das Gelände in exklusiver Lage wollte die Stadt relativ preisgünstig, die Rede war von einem Kaufpreis unter einer Million Euro, veräußern. Der aufwändige Wiederaufbau der Turmvilla schlägt schätzungsweise mit zwei bis drei Millionen Euro zu Buche. 2001 schon wollte der „Freundeskreis der Villa Jacobs“ um Dieter Mann den Wiederaufbau vorantreiben, konnte jedoch das Geld nicht aufbringen. Auf jeden Fall hat der „Freundeskreis“ den Gedanken an die Rekonstruktion erst ins Blickfeld gerückt.

Persius, seit 1841 Hofarchitekt Friedrich Wilhelms IV., erbaute die Villa im florentinischen Stil im Jahre 1835 für den Zuckerfabrikanten Ludwig Friedrich Otto Jacobs. Dessen Sohn vermietete das Anwesen nach dem Tod seines Vaters im Jahre 1879 an den Prinzen Alexander von Preußen. Nach dessen Tod erwarb es Kaiser Wilhelm II.

Die Russen kassierten Haus und Garten 1945 und betrieben hier zunächst einen Kindergarten. 1979 gaben sie das Anwesen an den Rat der Stadt Potsdam zurück. Nachdem es hier eine Schießerei gegeben hatte, weil sich ein flüchtiger russischer Soldat in dem leer stehenden Gebäude verschanzt hatte, ist es 1981, wahrscheinlich auf Wunsch der Russen, mit Zustimmung des DDR-Kulturministeriums abgerissen worden. Denkmalpflegerin Johanna Neuperdt, bis 2007 Mitarbeiterin der Unteren Denkmalbehörde, hatte vor dem Abriss weisungsgemäß fotografische Aufnahmen angefertigt

Zur privaten Nutzung bemerkt Röhrbein, der bis 2000 Stadtbaudirektor in Potsdam war: „Man wird sehen, wie die Dinge sich entwickeln; ich gehe davon aus, dass die Allgemeinheit den Bau vom öffentlichen Uferwanderweg aus gut wahrnehmen kann und ich hoffe, dass der Bauherr einen zeitlich beschränkten Besuch in den rekultivierten Gartenanlagen gestatten wird.“ Günter Schenke

Günter Schenke

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