
© Björn Stelley
Wie Jugendliche in Potsdam Freiheit definieren: Die Freiheit, zu malen
Jugendliche beschäftigten sich mit dem Begriff Freiheit. Philosophisch wurde es dabei aber nicht
Stand:
„Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden.“ Das berühmte Zitat von Rosa Luxemburg spielte bei einer Ausstellung von Schülern in der Villa Schöningen an der Glienicker Brücke am gestrigen Dienstag kaum eine Rolle. Es ging um den Alltag, um schön bemalte Taschen und T-Shirts, und um das Malen an sich.
„Freiheit definieren Jugendliche eher emotional“, sagte die Leiterin der Leonardo-da-Vinci-Gesamtschule, Kirsten Schmollack, den PNN und versuchte damit den Hintergrund des Projektes zu erklären. 20 Jugendliche der siebten bis zehnten Klassen waren bereits zum zweiten Mal eine Woche lang aufgerufen, sich mit dem Begriff Freiheit zu beschäftigen. Anlass waren die 25. Jahrestage des Mauerfalls im vergangenen und der deutschen Einheit in diesem Jahr. Am Dienstag präsentierte die Schule das Ergebnis gemeinsam mit den Kooperationspartnern, dem Kunstverein Musenkuss und der Villa Schöningen. So mussten die Jugendlichen im Dunkeln ein rund drei Meter langes und ein Meter weißes Blatt bemalen. Dabei sollten die Schüler erfahren, dass man in der Gruppe auch auf den Anderen achten muss. Das Ergebnis zeigte mehrere überschriebene Flächen – dort funktionierte die Freiheit offenbar nicht. „Wichtig ist eben auch das respektvolle Miteinander“, sagte Annette Paul vom Verein Musenkuss.
Auch Hannah und Nina, beide 16 Jahre alt, malten, was das Zeug hielt. Eine ganze Leinwand voll. „Freiheit ist für mich, wenn ich einen Stift in der Hand habe und machen kann, was ich will“, sagte Nina dazu. Und es sah wirklich gut aus, was die beiden da auf die Wand gebracht haben. Auch modellierten sie, etwa eine Maske, ganz in Schwarz mit ebensolchen Zähnen. Gruselig. Zum Glück saß sie nur auf einem Stuhl.
Ob sie in einem freien Land lebe? „Ja schon, im Vergleich zu den Frauen und Mädchen in Afghanistan. Aber Chemie ist nicht mein Lieblingsfach und ich werde es auch später nicht brauchen“, sagte sie.
Und was haben die anderen Teilnehmer – zumeist Mädchen – gemacht? Yanka, Chiara und Pia stehen in der anderen Ecke des Raumes und präsentieren drei runde, hübsch bemalte Schilder. Auf zweien davon stehen die Initialen von drei Freundinnen. Saskia, die dritte im Bunde, ist leider verhindert. „Wir wollen zeigen, dass wir immer aneinander denken“, sagte dazu die 13-jährige Chiara und Yanka freut sich sichtlich. Wirklich beste Freundinnen eben.
Pia wiederum ist zwei Jahre älter und hat sich mit einem japanischen Haiku beschäftigt, einer traditionellen Gedichtform. Sie besteht aus drei Versen mit strengen Vorgaben zu den Silben. Damit ist es leichter, mit Worten etwas auszudrücken, erklärte Heike Roth vom Verein Musenkuss. Pias Spruch „Fudi, Mudi, Ludi in Sudi – Kene mene Flunde kom-me her-bei – Fudi so soll es sein“ ergibt aber nicht wirklich einen Sinn, wie auch die 15-Jährige bestätigte. Aber: „Zu viel Freiheit ist auch keine Freiheit.“
„Die Vorstellungen der Erwachsenen zum Thema Freiheit standen nicht im Vordergrund“, betonte Schulleiterin Schmollack. Es sei eben nicht um NSA oder Flüchtlinge gegangen, sondern um die Gefühle der Jugendlichen. „Die haben ganz andere Sichtweisen, nicht politisch, sondern emotional“, fügte sie hinzu. Es gehe darum, klarzumachen, dass man nicht eine Person im luftleeren Raum sei, sondern darauf achten müsse, die Freiheit des Anderen nicht einzuschränken.
Dabei ist die Ausstellung keine Kunstausstellung im eigentlichen Sinn, sondern eher ein Prozess, wie es Annette Paul in einer kurzen Rede nannte. Dazu gehörten auch Ausflüge in die Umgebung. Etwa an die Glienicker Brücke. Dort sollten die Jugendlichen mit einem rosa Seil im übertragenen Sinne Raum für sich auf dem Bürgersteig gewinnen. Dabei ereignete sich auch ein leichter Auffahrunfall, wie die Künstlerin Paul bedauernd berichtete. Ein Autofahrer ließ sich ablenken und prallte auf den vor ihm fahrenden Wagen auf.
Und manchmal werde die Freiheit durch äußere Einflüsse eingeschränkt, sagte die Künstlerin Paul. So wie durch den verregneten Dienstag. Die Ausstellung sollte nämlich eigentlich im Garten der Villa Schöningen stattfinden und musste kurzerhand in einen der Räume verlegt werden. Stefan Engelbrecht
Stefan Engelbrecht
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