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Ausgesprochen KAPUSTE: Die fünfte Jahreszeit

Der Potsdamer Karneval scheint eine müde Angelegenheit zu sein. Woanders ist dies anders, ich kann es bestätigen.

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Der Potsdamer Karneval scheint eine müde Angelegenheit zu sein. Woanders ist dies anders, ich kann es bestätigen. Hier einige Beispiele aus meinem langen Leben.

In München heißt der Karneval Fasching. In meiner Jugend waren die Faschingsumzüge so trostlos, dass sie jahrzehntelang ausgesetzt wurden. Nicht so der Fasching im Saal, da war der Bär los. Wir stürzten uns total verkleidet ins Getümmel, die Männer in rot-weißen Ringelhemden und ebenfalls geringelten Socken und die Frauen mit oben wenig und unten Strumpfhosen. Nicht Humor, sondern Körperkontakt war angesagt.

Meine erste Weiberfastnacht in Bonn: Ich tat Dienst im Bundesministerium der Verteidigung. Wie viele Referenten hatte ich meine Zimmertür von innen abgeschlossen. Draußen auf den Korridoren waren die Kohorten der mit Schnaps bewaffneten Sekretärinnen unterwegs, auf der Jagd nach Männern, um ihnen die Krawatten abzuschneiden. Noch heute höre ich ihr wütendes Rütteln an meiner Tür und ihre höhnischen Schreie „Du Feigling! Feiger Kerl komm raus!“, während ich, ein gestandener Oberstleutnant im Generalstabsdienst, mit angehaltenem Atem mucksmäuschenstill hinter dem Schreibtisch kauerte.

Danach erlebte ich im schwäbischen Sigmaringen den Karneval, auch Fastnacht genannt, an dem sich mit großem Ernst das örtliche Fürstenhaus beteiligte. Dafür wurde eigens an zwei Werktagen arbeitsfrei gegeben. Wer es sich leisten konnte, ist in den Schwarzwald oder in die Silvretta zum Skifahren entflohen.

Später folgte Düsseldorf. Dort fiel, wie im feindlichen Köln, im Jahr 1991 der Rosenmontagszug wegen des Golfkrieges aus. Er wurde im Mai (!) nachgeholt. Ab 1992 ging es wieder los mit den drögen Prunksitzungen und den etwas lustigeren Sitzungen für Normalbürger, mit den Umzügen und dem Massenschunkeln. Das Alt-Bier floss in Strömen. Wir Nichtdüsseldorfer verhielten uns wie die früheren Kolonialherren, wenn sie erstaunt und halb amüsiert, halb indigniert die Eingeborenen bei ihren exotischen Riten und Gebräuchen beobachteten und sich sehr überlegen fühlten.

Liebe Leserinnen und Leser, Sie sehen also, woran Potsdam noch zu arbeiten hat.

Unser Autor ist ehemaliger Stadtverordneter der CDU und war Vorsitzender des Ausschusses für Kultur. Er lebt in Eiche.

Eberhard Kapuste

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