
© A. Klaer
Unicef in Potsdam: Die Helfer helfen wieder
Nach dem Spendenskandal hat sich Unicef auch in Potsdam erholt. Es gibt sogar eine Junior-Gruppe.
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Am Leibniz-Gymnasium auf dem Campus Am Stern hängt seit Juni die Plakette „Schule aktiv für Unicef“. Dahinter steckt mehr, als man auf den ersten Blick vermutet: Die Schule hat mit der Unicef-Zentrale in Köln einen Vertrag abgeschlossen, in dem sie sich verpflichtet, Aktionen wie einen Schülerlauf zu organisieren. Dessen Erlös kommt zur Hälfte dem Kinderhilfswerk zugute. „Wir haben den Titel für drei Jahre“, erzählt Sebastian Sander-Netz, Lehrer und Unicef-Beauftragter am Leibnitz-Gymnasium. Anschließend prüfen Schule und Unicef, ob die Plakette bleibt.
Der Durchhänger der Potsdamer Unicef ist längst vorbei. Als Jörn Klockow vor vier Jahren zu der ehrenamtlichen Arbeitsgruppe stieß, sei ihr Zustand „desolat“ gewesen. Die Leitung habe häufig gewechselt, die Mitarbeiter sprangen ab: „Das muss für alle sehr frustrierend gewesen sein.“ Dass wenige Jahre zuvor dem Hilfswerk das Verschwenden von Steuergeldern und mangelnde Transparenz vorgeworfen worden war, hatte nicht nur die Attraktivität der Potsdamer Gruppe geschmälert, die ihr Büro und ein Lager auf dem Gelände des Luftschiffhafens unterhält: Bundesweit gingen damals die Spenden zurück, Mitglieder sprangen ab.
Seitdem der Wissenschaftler im Ruhestand die Leitung der Gruppe übernommen hat, ist diese auf 20 bis 30 Mitarbeiter angewachsen. „Ich wollte gerne etwas Vernünftiges machen, habe mich ans Internet gesetzt – und bin auf Unicef gestoßen“, erzählt Jörn Klockow. Der Germanist hat an der Fachhochschule in Hannover Bibliotheksmanagement unterrichtet. Seit 2002 lebt er in Potsdam. „Ich will dort Hilfe leisten, wo es nötig ist.“ Bei einer Organisation, die viel mit Ehrenamtlichen arbeite, könne man sicher sein, dass vergleichsweise wenig Geld in die Verwaltung fließe. Eine eigene Verkaufsstelle für die bekannten Unicef-Weihnachtskarten sei aus personellen Gründen nicht leistbar, erzählt Klockow. Stattdessen setzen er und seine Mitstreiter darauf, Spenden zu sammeln – etwa bei gut besuchten Veranstaltungen wie der Premiere von „Peer Gynt“ am Hans Otto Theater, dem Benefizkonzert der „Johann Sebastian Bach“-Musikschule oder den Schülerläufen an sechs Potsdamer Schulen, wo die Hälfte des Erlöses an die Organisation fließt: „Da kommt pro Lauf ein drei- bis vierstelliger Betrag zusammen.“
Wie in der bundesweiten Organisationsstruktur von Unicef gibt es auch in Potsdam mittlerweile eine Hochschulgruppe – und das Junior-Team am Leibniz-Gymnasium. Hier sind sechs Schüler und Schülerinnen aktiv, darunter Hannah Lettl. Warum wollte die 15-Jährige zu Unicef? Wie viele aus ihrer Klasse habe sie sich bereits in der 7. Klasse in der Anti-Rassismus-AG engagiert. „Diese AG war eher klein und man musste alles selbst machen“, erzählt die Schülerin der 10. Klasse. „Unicef dagegen ist eine große Organisation und kann etwas bewirken. Außerdem bekommen wir von dort Unterstützung – auch von den Erwachsenen in der Potsdamer Arbeitsgruppe.“ Bei deren monatlichen Treffen sei immer jemand von der Junior-Gruppe dabei.
„Wir haben uns verpflichtet, Unicef jedes Jahr mit zwei Projekten zu unterstützen“, erzählt der Chemie- und Sportlehrer Sander-Netz vom Leibniz-Gymnasium. Für ihn persönlich bedeuten die wöchentlichen Treffen, mit den Schülern über den Schulalltag hinaus in Kontakt zu kommen: „Da herrscht eine ganz andere Atmosphäre, als wenn man sich nur im Unterricht austauscht.“ Ein Projekt war bislang die Teilnahme am Spendenlauf, das andere die Gründung der Junior-Gruppe.
Diese nahm gleich im Juni an einer großen Aktion teil: 17 Arbeitsgruppen aus den östlichen Bundesländern trafen sich in Potsdam, um bei Podiumsdiskussionen über die Zukunft nachzudenken. „Wir hatten auf dem Alten Markt einen Stand und haben zum Thema Umwelt eine Skulptur aus Plastik gebaut“, erzählt Hannah Lettl über das ereignisreiche Treffen. Bands traten auf, eine große Torte wurde angeschnitten. Im Beisein von Oberbürgermeister Jann Jakobs diskutierten rund 120 Jugendliche im Landtag, wie die Welt in 30 Jahren aussehen soll. Das Ergebnis dieser Veranstaltung, ein Banner mit Thesen, hängt im Rathaus und soll bald auf Reise durch die östlichen Bundesländer gehen.
Die Arbeitsgruppe am Luftschiffhafen versteht sich nicht als Koordinatorin der Potsdamer Aktivitäten. Prinzipiell arbeiten die Hochschulgruppe und das Junior-Team recht eigenständig, sagt Jörn Klockow. Ein Berater helfe aber zum Beispiel bei Anträgen weiter. „Das Problem von solchen Gruppen ist die große Fluktuation“, stellt Klockow bedauernd fest. „Man kann junge Leute gewinnen, aber irgendwann sind sie weg in Ausbildung und Beruf“, so eine Erfahrung. „Das mittlere Alter ist in den Gruppen kaum vorhanden. Erst wenn die Kinder aus dem Haus sind, besinnen sich viele darauf, sich wieder zu engagieren.“ Für Hannah Lettl ist es jetzt schon nicht leicht, Schule und andere Aktivitäten mit der Junior-Gruppe zu koordinieren. Am Tag der offenen Tür ihres Gymnasiums am 8. Oktober plant sie einen Stand, der durch Kinderschminken Geld einnimmt. „Nächstes Jahr könnte ich in Köln einen Schulung für Junior-Botschafter mitmachen“, überlegt sie. „Da lernt man neue Arbeitstechniken. Das geht aber das ganze Wochenende.“ Isabell Fannrich-Lautenschläger
Isabell Fannrich-Lautenschläger
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