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Bachelor-Projekte am HPI vorgestellt: Die Herren der Daten

Gut 70 HPI-Studenten haben ein Jahr lang geforscht und innovative Ansätze zum Umgang mit der Informationsflut gefunden

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Ganz Berlin in der Hand: Ein 3D-Modell von Berlin etwa könnte sich theoretisch auch auf dem Handy betrachten lassen. Das Problem: Die Grafikspeicher von mobilen Endgeräten, also Tablets und Handys, reichen dafür nicht aus. Ein Gigabyte kann das iPad verarbeiten – aber 80 Gigabyte kann schon mal allein die Datenmenge der Fassadenfotos eines 3D-Stadtmodells umfassen. Studenten des Potsdamer Hasso-Plattner-Instituts (HPI) haben sich in ihrem Bachelorprojekt mit dem Problem beschäftigt und zusammen mit der Berliner Beratungsgesellschaft für Wirtschaftsförderung ein System entwickelt, mit dem Nutzer bequem durch ein 3D-Modell der Hauptstadt wandern können.

„Uns war es wichtig, möglichst viele Informationen aus verschiedenen Quellen in das Stadtmodell zu integrieren“, sagte Jan Uwe Vollmer, der die Anwendung am Freitag auf dem Bachelorpodium des HPI für sein vierköpfiges Team vorstellte.

Anders als viele andere Hochschulen setzt das HPI darauf, seine Studenten möglichst früh mit der Praxis zu konfrontieren. Im dritten Studienjahr forschen die Bacheloranwärter deshalb zusammen mit Projektpartnern aus der Wirtschaft zu neuen IT-Lösungen. Am Ende müssen sie ihre Ergebnisse in einer zehnminütigen Performance vorstellen – so vereinfacht, dass auch die geladenen Gäste aus Politik und Gesellschaft verstehen, worum es geht.

Manchmal ist die Nähe zwischen Forschung und politischer Realität sogar brisant: Hackerangriffe waren für die meisten Laien bislang eine eher diffuse Bedrohung, die wenig mit dem eigenen Umfeld zu tun hatte. Die aktuelle Debatte um die Generalüberwachung des weltweiten Datenverkehrs durch den US-Geheimdienst NSA hat daraus ein konkretes Problem gemacht.

„Das Mitlesen von Informationen bei großen Servern ist aber etwas völlig anderes als gezielte Hackerangriffe auf einzelne Netzwerke“, sagt Christian Zöllner. Auch wenn viele Fachleute so etwas schon lange vermutet hätten, habe ihn das Ausmaß der Überwachung, das jetzt bekannt wurde, schockiert. Zusammen mit seinem Bachelor-Team hat er eine Software entwickeln, die große Unternehmensnetzwerke besser vor Hackerangriffen schützen kann – und zwar vorbeugend. Das ist relativ neu, viele Systeme erkennen erst im Nachhinein, wenn es einen unerlaubten Zugriff gegeben hat.

Das System von Zöllner und seinen Kommilitonen funktioniert wie ein EKG, das die Summe aller elektrischen Aktivitäten der Herzmuskelfasern aufzeichnet. „Unser System sucht sowohl die Firmenserver als auch die Rechner nach möglichen Angriffspunkten – Stellen also, an denen Sicherheitslücken bestehen – ab“, sagt Zöllner. Oft genügt dann ein Software-Update, um die Gefahr zu beheben. „EKG für Software“ hat Zöllners Team das Projekt getauft. Sein Rettungsteam läuft am Freitag dann in Malteser-Westen auf die Bühne, für ihre Präsentation haben sie sogar ein echtes EKG dabei.

Das hat Zöllner von seinen Kollegen beim Malteser-Hilfsteam, mit dem er beim Elbe-Hochwasser in Wittenberge zuletzt Krankenhäuser und Altenheime evakuierte. Schnelle Rettung ist sozusagen sein Spezialgebiet. Bevor er mit dem Master beginnt, will er aber fachlich noch mal über den Tellerrand gucken, bevor er sich – vielleicht – auf Sicherheitssysteme spezialisiert.

Klar wird bei allen 13 Bachelor-Projekten vor allem eines: An Informationen mangelt es in unserem immer komplexer werdenden Alltag nicht – schwierig aber ist es, den riesigen Datenmengen Herr zu werden und sie für die Nutzer und Kunden tatsächlich nutzbar zu machen. „Das ist ganz klar ein Trend, den wir über die vergangenen Jahre deutlich beobachten konnten“, sagte HPI-Sprecher Hans-Joachim Allgaier.

Die HPI-Studenten können für ihre Arbeiten auf die Hautspeicherdatenbank von SAP zugreifen. 2007 entstand diese neue Technologie ebenfalls zusammen mit einem Bachelor-Projekt von HPI-Studenten am Lehrstuhl von Hasso Plattner selbst. Am Ende ging daraus SAP Hana hervor, „heute eines der Top-Produkte von SAP“, wie Allgaier sagt. Die neuartige Datenbanktechnologie kann riesige Datenmengen quasi in Echtzeit verarbeiten. Der Grund: Die Daten werden nicht auf einer Festplatte, sondern im Arbeitsspeicher des Computers verarbeitet, verschiedene Prozesse können parallel ablaufen.

Trotzdem will Allgaier die Studenten nicht als Handlanger von SAP verstanden wissen: „Wir sind die Wissenschaft, wir probieren aus, forschen.“ Die Studenten sollen sich bewusst auch an utopisch klingende Fragen wagen. Das hat etwa das Team von Christoph Sterz gemacht und einen interaktiven Fußboden erdacht – eine Art Erweiterung des iPads. So lässt sich etwa der ganze Papierkram der Steuererklärung auf der gläsernen Arbeitsfläche zu den Füßen ausbreiten, mit den Zehen hin- und herschieben und zu immer neuen Stapeln ordnen. „Wenn man am Ende müde ist, setzt man sich hin und guckt einen Film – auf dem Fußboden natürlich“, sagt Sterz.

Ob aus solchen Ideen irgendwann tatsächlich Produkte entwickelt werden, entscheiden dann die Projektpartner. Oder die Studenten selbst, nicht wenige haben nach ihrem Master am HPI eigene Start-up-Unternehmen gegründet.

Erst einmal sind die Projektpartner – neben SAP arbeiten die Studenten unter anderem mit Microsoft, der Teltower Telemedizinfirma Getemed oder der Berliner CPI, der Celebrity Performance GmbH, zusammen – oft eine Hilfe mit ihren praktischen Fachkenntnissen.

Manchmal spielt auch ein wenig Glamour mit: Für CPI etwa hat ein Team um Johannes Wolf ein Programm entwickelt, das Verbindungen zwischen Prominenten und Unternehmen in Online-Zeitungsartikeln auswertet. Bislang mussten Unternehmen von Hand nach Prominenten und deren Werbeaktivität suchen, das System der HPI-Studenten durchforstet ein Großteil der Online-Tagespresse automatisiert. CPI stellte dafür seine Datenbank mit den Promi-Namen und allen wichtigen Informationen zur Verfügung. Am Ende zeigt das Programm nicht nur, wer schon für welche Marke sein Gesicht hingehalten hat, sondern liefert auch eine Art Beziehungsnetzwerk mit. Es erkennt also, wer im Zusammenhang mit wem erwähnt wurde – und wie oft. „Interessant bei der Suche war, dass Millionäre offenbar kein Problem haben, einen Partner zu finden, der sie so akzeptiert, wie sie sind“, sagte Wolf zum Ende seiner Präsentation.

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