Landeshauptstadt: Die Hubschrauber kommen
Die Genehmigung des Gifteinsatzes gegen Eichenprozessionsspinner aus der Luft ist so gut wie durch. Im Mai soll geflogen werden
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Die Vorstellung mag bei manchem beängstigende Assoziationen hervorrufen: Hubschrauber, die Giftladungen über Potsdam abwerfen. Doch aus Sicht fast aller Beteiligten ist dies die einzige Chance, einer sich seit Jahren ausbreitenden Plage Herr zu werden: der Ausbreitung des Eichenprozessionsspinners. Nach monatelangem Hin und Her liegt nun die Genehmigung für das Insektengift Dipel ES von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin vor – zumindest verkündete das Potsdams CDU-Chefin und Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Katherina Reiche, am gestrigen Freitag. Behält sie recht, werden die Potsdamer Schlossparks schon in wenigen Wochen mit giftsprühenden Hubschraubern überflogen.
Gefürchtet sind die Raupen des Nachtfalters wegen ihrer sogenannten Brennhaare. Deren Nesselgift kann bei Hautkontakt zu schwersten allergischen Reaktionen führen. Zudem sind die Haare auch dann noch gefährlich, wenn sie längst beim Häuten abgeworfen wurden und einzeln in den verlassenen Nestern hängen oder aber an Blättern kleben. Ende April oder Anfang Mai schlüpfen die Schmetterlingsraupen und krabbeln in die Kronen der Eichen. Dort fressen sie ganze Bestände kahl.
Seit Jahren breitet sich der Eichenprozessionsspinner in der Region aus. Allein in Potsdam waren im vergangenen Jahr 13 000 Eichen von dem Schädling befallen. Bislang konnten die Nester an Bäumen in Siedlungsgebieten nur abgesaugt werden, der Einsatz von Dipel ES war nur nach Pflanzenschutz- aber noch nicht nach Biozidrecht genehmigt. Laut Reiche ist dies nun geschehen, was einen Einsatz auch im Stadtgebiet ermöglicht.
8000 der befallenen Bäume stehen allein in den Potsdamer Schlossgärten und unterstehen damit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG). In der Pressestelle wusste man am Freitag noch nichts von der Genehmigung. Sollte sie aber erteilt werden, will die Stiftung das Gift aus der Luft einsetzen.
Teile von Park Sanssouci, von Park Babelsberg und vom Neuen Garten würden dann für einen Tag gesperrt und beflogen, sagte Sprecherin Tina Schümann. Günstig wäre ein Einsatz im Monat Mai. Vermutlich würden die Parks an einem Montag gesperrt, da dann die meisten Schlösser ohnehin nicht geöffnet haben. Die Hubschrauberflüge würden von Mitarbeitern der Berliner Forste durchgeführt, sagte Schümann. Diese bekämen genaue Angaben, an welchen Stellen die befallenen Bäume stehen. Diese könnten dann per GPS punktgenau angeflogen werden. Möglicherweise müssten also nicht alle Parks komplett abgeriegelt werden.
Auch auf einigen Waldflächen innerhalb des Stadtgebiets soll Dipel ES ebenfalls per Hubschrauber eingesetzt werden, sagte der Leiter des Bereichs Grünflächen, Herbert Claes. Auf den meisten Flächen soll aber weiter abgesaugt beziehungsweise Dipel ES von unten mit sogenannten Gebläsekanonen eingesetzt werden. Schließlich gebe es nicht nur gesetzliche Einschränkungen, sondern auch gewisse psychologische Barrieren für einen Einsatz aus der Luft, sagte er. Tatsächlich sei das Mittel aber für Menschen ungefährlich (siehe Kasten).
Laut Claes eignet sich das Gift gut für den Kampf gegen die giftigen Larven. Zum einen berichteten Kollegen von Erfolgsquoten zwischen 80 und 90 Prozent. Zum anderen greife Dipel ES fast ausschließlich den Eichenprozessionsspinner und höchstens noch ein oder zwei weitere Falterarten an, sagte Claes. Alle anderen Tiere blieben unversehrt.
Anders sehen das die Naturschutzverbände BUND und NABU. Sie bestätigen zwar die selektive Wirkung, geben aber zu bedenken, dass die Auswirkungen auf den Menschen noch nicht ausreichend untersucht sind. Zudem würden die empfindlichen Lebensgemeinschaften im Wald durch solche Pestizide geschädigt, auch raupenfressende Vögel könnten nicht mehr genug Futter finden. Sie plädieren für einen Dipel-ES-Einsatz nur im Notfall und vom Boden aus, um die Auswirkungen zu reduzieren.
Ob nun eine Genehmigung vorliegt oder nicht, war zunächst nicht abschließend zu klären. Offenbar gibt es wohl mündliche Zusagen, das entsprechende Schriftstück fehlt aber noch.
Dem Land liegt die Zulassung zumindest noch nicht vor, wie der Sprecher des Landwirtschaftsministeriums, Jens-Uwe Schade, sagte. Sollte diese aber eintreffen, wäre das ein freudiger Moment, betonte er. Schließlich will das Land schon lange Dipel ES einsetzen.
Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, die generell für die Zulassung von Bioziden zuständig ist, will man auf die Frage nach der Genehmigung nur einen einzigen Satz sagen: „Wir gehen davon aus, dass wir das Biozid Dipel ES noch im April werden zulassen können“. Katharina Wiechers
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