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Unter einem Dach. In Potsdam leben Flüchtlinge im Schnitt 10,6 Monate in einer Gemeinschaftsunterkunft – wie hier im ehemaligen Landtag. Ziel der Stadt ist es eigentlich, dass sie schon nach spätestens sechs Monaten in eigene Wohnungen ziehen.

© Andreas Klaer

Integrationskonzept für Flüchtlinge in Potsdam: Die Kapazitäten sind aufgebraucht

Viele Flüchtlinge leben zu lange in Heimen. Das neue Potsdam Integrationskonzept will das verhindern, doch eine Lösung präsentiert es nicht.

Von Katharina Wiechers

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Potsdam - Immer wieder musste sie verschoben werden, die Neuauflage des Integrationskonzeptes der Landeshauptstadt. Erst waren es die ab Ende 2015 so rasant steigenden Flüchtlingszahlen, die für immer weiteren Gesprächsbedarf sorgten, dann Gesetzesänderungen auf Landes- und auf Bundesebene, die in das Konzept mit einfließen mussten. Nach rund zweijähriger Arbeit wurde das Konzept nun am gestrigen Dienstag in Potsdam vorgestellt, Anfang Mai soll es in die Stadtverordnetenversammlung eingebracht werden. Doch eine der drängendsten Fragen kann auch dieses Papier nicht beantworten: Wie man Wohnraum für die vielen Flüchtlinge schafft.

Denn immer noch leben 1651 Flüchtlinge in den 14 Potsdamer Gemeinschaftsunterkünften. Das ist ein Integrationshemmnis, wie auch im aktuellen Konzept erneut festgestellt wird. Doch von dem seit Jahren geltenden Ziel, die Dauer des Aufenthalts auf ein halbes Jahr zu begrenzen, ist die Landeshauptstadt weit entfernt. So konnten 2016 nur rund 450 Flüchtlinge in eine eigene Wohnung ziehen, während aber rund 650 Menschen neu aufgenommen wurden. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in einer Gemeinschaftsunterkunft liegt in Potsdam derzeit bei 10,6 Monaten, wie Sozialdezernent Mike Schubert (SPD) gestern einräumte. An dem Ziel, wieder zu einem halben Jahr zurückzukommen, halte die Stadt trotzdem fest, auch in dem Konzept. „Das ist eine große Herausforderung und wir werden das nicht von heute auf morgen schaffen“, sagte er. „Aber wir wollen da wieder hin.“

Zusätzliche Sozialwohnungen wären nötig

Wie das funktionieren kann, ist aber völlig offen. Nötig wären zusätzliche Sozialwohnungen, doch private Investoren oder Genossenschaften schaffen diese kaum, zumindest nicht im großen Stil, so Schubert. Zwar gebe es ein entsprechendes Förderprogramm des Landes, doch angesichts der niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt sei dies für viele nicht attraktiv genug. Zumal nicht in Ballungsräumen wie Potsdam, in denen auch höherpreisige Wohnungen problemlos an den Mann zu bringen sind.

In der Konsequenz trage die Hauptlast hier die Stadt, also die kommunale Bauholding Pro Potsdam. Tatsächlich zogen 85 Prozent der Flüchtlinge, die in der Vergangenheit eine der Potsdamer Gemeinschaftsunterkünfte verlassen konnten, in eine Wohnung der Pro Potsdam, so Schubert. Auf Dauer funktioniere das aber nicht. Leerstand gebe es quasi keinen mehr. Neubau in der Regie der Stadt sei nur auf städtischen Flächen möglich und zudem teuer.

Flüchtlinge sofort in Wohnungen: Keine Rede mehr vom "Potsdamer Modell"

Vom „Potsdamer Modell“, das Schuberts Vorgängerin Elona Müller-Preinesberger (parteilos) noch 2014 stolz vorgestellt hatte, ist indes gar keine Rede mehr. Es sah vor, möglichst viele Flüchtlinge gar nicht erst in Gemeinschaftsunterkünften, sondern gleich in einem sogenannten Wohnungsverbund unterzubringen. Praktiziert wird dies etwa noch am Staudenhof, wo Flüchtlinge Tür an Tür mit alteingesessenen Potsdamern leben. Ein ähnliches Projekt in der Haeckelstraße wurde mittlerweile aufgelöst, weil der Wohnblock wie geplant saniert wird. Ein Ersatz wurde nicht geschaffen und ist auch nicht in Planung. „Das ist zurzeit nicht realistisch“, so Schubert. Die Kapazitäten der Pro Potsdam seien schlicht aufgebraucht.

Unklar sei auch, wie sich die Flüchtlingszahlen weiterentwickeln. 2017 wurden der Stadt zwar bislang nur rund 60 Asylsuchende aus den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes zugewiesen, die Zahlen steigen erfahrungsgemäß aber im Laufe des Jahres noch deutlich an. Zuletzt war man im Stadthaus davon ausgegangen, dass 2017 etwa 600 Flüchtlinge nach Potsdam kommen. Völlig offen ist laut Schubert auch noch, wie sich der Familiennachzug auf die Zahlen auswirke. Einige Flüchtlinge dürfen nach entsprechenden Anträgen ihre Familien aus den Kriegsgebieten nachholen. Hier gibt es kaum verlässliche Prognosen. Doch auch unabhängig von den Flüchtlingen wächst die Stadt rasant. „Wir hätten die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt auch so“, so der Sozialdezernent.

Potsdam als Vermittler zwischen privatem Vermieter und Flüchtlingen

Als Maßnahmen sieht das nun vorgestellte Integrationskonzept vor, dass die Stadt wie schon bislang auch Wohnungen anmietet und quasi als Vermittler zwischen privatem Vermieter und Flüchtlingen auftritt. Außerdem werde über eine Senkung der sogenannten Angemessenheitsgrenzen bei den Unterkunftsgrößen nachgedacht, so Schubert. Gelöst werden könne das Problem aber nur mit zusätzlichen Wohnungen.

Unter anderem müsse deshalb der Flächennutzungsplan darauf geprüft werden, wo womöglich noch weitere Wohnbebauung auch in Randlagen möglich sei, so der Sozialbeigeordnete. Auch müsse über „einfachere“ – sprich günstigere – Bauten nachgedacht werden, wie sie auch in Städten wie München derzeit entstünden. Doch für all das fehlt Schubert derzeit der zuständige Baudezernent Bernd Rubelt. Der Parteilose tritt sein Amt erst am 15. Mai an. „Ohne ihn kann ich kaum etwas tun“, so Schubert.

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