Landeshauptstadt: Die Kinder vom Hoppe-Weg
Bauen verbindet: An einer neuen Spielstraße vis-à-vis vom Bahnhof Babelsberg fanden 32 Erwachsene und 28 Kinder in 17 modernen Reihenhäusern ihr neues Zuhause – und bilden eine tolle Gemeinschaft
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„Der Storch ist weg“, stellt Mechthild Wesseling fest. An einer Wimpelgirlande hing bis vor kurzem noch ein Stoffstorch aus dem Spreewald. Bei Familienereignissen wird im Theodor-Hoppe-Weg „geflaggt“, klärt Thomas Reichert auf. Bei absehbaren Hochzeiten hängen etwa goldene Ringe an der Leine. Ein Pärchen hat vorher wild in Kreuzberg zusammen gelebt und dann hier geheiratet. Als die 32 Bauherren und -damen vor eineinhalb bis zwei Jahren in ihre 17 neuen Reihenhäuser einzogen, waren die Jungs in der Überzahl. Das sind sie heute auch noch. Doch die Mädchen haben aufgeholt. Drei Mal hissten die Hoppe-Wegler seitdem den Storch – und drei Mal wurden Mädchen geboren. 28 Kinder leben nun in der kleinen Siedlung, Victoria ist zwei Wochen alt und die jüngste, Hannah ist mit ihren elf Jahren die älteste.
Die Sonne ist längst untergegangen, doch auf der Spielstraße und einer Gemeinschaftswiese kreischt und jucht es wild. Halloween im Hoppe-Weg. Mehrere Vampire jagen um die Ecke, die Hexen lassen sich nicht kriegen. Mechthild Wesseling erzählt, dass im Advent 24 Fenster geschmückt werden, ein Adventskalender der anderen Art. Auch singen die Hoppes in der Vorweihnachtszeit zusammen. Auch deshalb soll eine Verkäuferin in der Nähe schon von Argwöhnischen befragt worden sein, ob die Neu-Babelsberger nicht vielleicht eine Sekte sind?
Sind sie nicht. Doch die Großerlebnisse ihres Lebens verbinden. Sie haben Kinder. Und sie haben gebaut. „Viele von uns lebten vorher in Kleinstädten, gingen dann nach Berlin und meinten irgendwann, das ist es auch nicht“, sagt Mechthild Wesseling, die nun mit ihrem Mann Clements und zwei Kindern 130 Quadratmeter auf drei Etagen bewohnt.
Die junge Mutter ruft Anne Lutze herbei, die mit ihrem Günter wenige Schritte weiter wohnt. Beide werden hier auch die „Straßen-Großeltern“ genannt. „Wenn die Kinder krank sind, kann man bei ihnen nachfragen“, verrät Mechthild Wesseling. Dank Lutzes müssen sich die arbeitenden Eltern am Hoppe- Weg um die Kinderbetreuung nicht sorgen. Beide wussten, was auf sie zukommt, sie wollten es so. „Wer Kinder nicht mag, kann doch ins Altenheim ziehen“, sagt Anne Lutze resolut. „Sie wollen wohnen, wo Leben ist“, so Clements Wesseling.
Die Wohnung der Wesselings ist hell, modern, die Raumaufteilung offen. Im Flur rechts Gästetoilette und Abstellkammer, links eine Wand und der türlose Abzweig zur Küche. Stufen führen hinunter in den Wohnbereich, der etwa einen halben Meter tiefer liegt als Küche und Diele, die Grundplatte ist geteilt. Keller gibt es nicht am Hoppe-Weg, weil das Grundwasser zu hoch ist. Wesselings runder Familientisch steht vor einer breiten Fensterfront, eine Tür führt in den winzigen Garten. Am Ende einer kurzen Rasenfläche stehen mittig auf den Grundstücksgrenzen rotbraune Schuppen, die an Schweden erinnern. Jede Partei verfügt über die Hälfte eines Schuppens. „Die ersten Zehn, die einzogen, haben sich beschnuppert und entschieden, das es keine Zäune zwischen den Gärten gibt“, sagt Clements Wesseling. „So ist es optisch so, als hätte ich einen großen Garten“, freut sich Thomas Reichert.
Einige Anwohner sind gerade zu Wesselings gekommen und setzen sich dazu. So Thomas Reichert und Heidi Grimm. Sie reden gern über ihr neues Zuhause. „Vom Konzept her ist es ideal für Kinder“, so Clements Wesseling: „Der Weg ist als Spielstraße ausgewiesen und nicht befahrbar für Leute, die nicht hier wohnen.“ Alle stimmen zu. „Da passt vieles zusammen“, sagt Thomas Reichert. Die Reihenhaussiedlung ist gut angebunden und eingebunden „in einen schönen alten Ortskern“. Und der S-Bahnhof fast vor der Tür „war das Argument“ für die Entscheidung, gemeinsam mit dem Stadtkontor in Babelsbergs Innenstadt zu bauen. Viele von ihnen arbeiten in Berlin und pendeln.
Ein Haus am Hoppeweg kostete zwischen 240- und 280 000 Euro, je nach Größe des Grundstückes und der Ausstattung. Für den Grund und Boden wurden 210 Euro pro Quadratmeter bezahlt. Im Innern der Häuser „haben sich alle ausgetobt“, sagt Heidi Grimm, „jedes Haus hat eine andere Innenarchitektur“. Wesselings haben eine offenen amerikanischen Stil gewählt, Reicherts mochten es eher klassisch mit separaten Räumen.
Auf Reicherts Seite des Weges gibt es Garagen, nur in zweien sind Autos untergestellt, die anderen dienen als Kellerersatz. In seiner Garage hatte Thomas Reichert zur Fußballweltmeisterschaft einen Beamer aufgestellt, ein Anwohner legte ein Kabel und so verfolgten die Hoppe-Weg-Anwohner zusammen die Erfolge der Klinsi-Elf. Sie genießen es, einander gefunden zu haben. Sie kennen aber auch die Kehrseite der Medaille. „Wir leben dicht und lange miteinander“, sagt Clements Wesseling: „Es wird schwierig, wenn es krachen sollte.“ Man muss sensibel miteinander umgehen, findet Heidi Grimm. Wichtig ist, miteinander zu reden. Wesseling: „Wenn mal jemandem etwas nicht passt, „muss er klare Ansagen machen“. So haben sie nach einzelner Kritik eine Mittagsruhe festgelegt, in der Kinder nicht lärmen dürfen. Denn Kinder ziehen Kinder an, immer häufiger kommen Freunde aus der Umgebung zum Spielen in den Hoppe-Weg. Die Viertel-Gründer sehen es gern.
Und später im Alter? Alle sagen, es ist ein Vorteil, das Reihenhaus in bester Lage für einen guten Preis auch wieder verkaufen zu können, wenn das Treppensteigen ins Obergeschoss eines Tages zu schwer fallen sollte. „Oder“, witzelt Heidi Grimm, „wir machen im Erdgeschoss Durchbrüche und leisten uns ein paar nette Altenpfleger.“
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