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Landeshauptstadt: Die kleinen Mängel

Fehlende Föne, lauwarmes Essen: In der neuen Oberlinklinik ist noch nicht alles paletti

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Die Patienten stranden im Gewohnten. „Seit dem Umbau kenne ich mich nicht mehr aus“, sagt eine Frau schon etwas außer Atem. Über der Schulter eine schwere Tasche, in der Hand eine Überweisung ist sie gerade die Treppe hinaufgekommen. Hier war einmal der Altbau der Oberlinklinik. Und ist er noch, allerdings kaum wiederzuerkennen. An den beiden Flurenden sind Baustellen. Dazwischen hat das moderne Ambiente neuzeitlicher klinischer Einrichtungen Raum gegriffen. Alt- und Neubau sind symbiotisch miteinander verzahnt. Eine Grundrissübersicht, aufgebracht auf eine Platte aus gebürstetem Aluminium, dient als Orientierungshilfe. Verschiedene Farben sollen das Labyrinth entschlüsseln. Violett für die Intensivmedizin, Türkis für Wirbelsäulen- und Extremitätenchirurgie.

„Sie müssen nur dem Gang mit den dunklen Steinen auf dem Boden folgen“, erklärt Dr. Michael Hücker der Patientin. Während der Geschäftsführer der Oberlinklinik gGmbH in dunklem Anzug durch sein 20 Millionen Euro teures neues Reich führt, muss er öfter helfen. Zur besseren Orientierung hätte er sich ein symbolreicheres System gewünscht. Irgendwann aber habe er die Diskussionen mit dem Planer aufgegeben. Jetzt werde zumindest ein wenig nachgebessert. Wie auch an anderen Stellen in der neuen orthopädischen Fachklinik an der Garnstraße. Dass Dinge nicht so laufen wie sie sollten, zeige sich immer erst nach Inbetriebnahme eines neuen Hauses. „Leider“, seufzt Hausherr Hücker und ärgert sich über die kleinen Mängel. So fehlten im Umkleidebereich des Bewegungsbades Haartrockner und an einigen Waschbecken auf den Stationen Wasseranschlüsse. „Und wir können künftig nur noch Krankenschwestern mit einer Mindestgröße von 1,90 Meter einstellen“, sagt der Klinikleiter mit ernster Miene. Die Medikamentenschränke seien so hoch eingebaut, dass Normalgroße nur mit Mühe oder Treppchen an die ganz oben eingeordnete Arzneien herankommen.

Während des laufenden Betriebes war die Orthopädieklinik vor über einem halben Jahr in den 10 000 Quadratmeter großen Neubau umgezogen. Damals rechnete man mit einem kurzfristigen Einbruch der Patientenzahlen und plante mit 4460 stationären Aufnahmen. Tatsächlich lag die Fallzahl aber zum Jahresabschluss bei 4553 – Indiz für einen guten Übergang. Für Patienten und Personal biete das neue Haus jede Menge Komfort, sagt die Pflegedienstleitung Birgit Scheinert. Der moderne Bau erinnert vielerorts mehr an ein Hotel denn an ein Krankenhaus. Medizinisches Weiß ist auf den Stationsfluren Ahornfurnier an den Wänden und rotem Bodenbelag gewichen. Pro Etage gibt es 45 Plätze, verteilt auf Ein-, Zwei- und Drei-Bett-Zimmer. Es sind aber auch die langen Flure, die der Klinikleitung Sorge bereiten. Die Essenwagen halten die Wärme über die Länge nicht. Klagen über lauwarme Speisen mehrten sich. Jetzt würden weitere Kübelsysteme angeschafft, sagt Scheinert.

In einem abgedunkelten Raum hat Schwester Ursel gerade Tagschicht. In weißen Laken versteckt liegt eine Frischoperierte. Auf dem flachen Monitor über ihr zeichnen bunte Linien ihre Körperfunktionswerte. Wenn die noch Narkotisierte erwacht, schaut sie auf rote Kreise und caramelfarbene Linien. Es war Hückers Idee, die Decke im Aufwachraum farbig zu gestalten. Das sei schon von Patienten gelobt worden, erzählt die Anästestieschwester. Sie sei auch froh, das seit Neubauzeiten OP und Aufwachraum direkt nebeneinander lägen. Vorher seien die Bereiche getrennt gewesen. Wenn es Probleme gab, mussten die Ärzte erst einmal durch die Schleuse.

„Ich suche meine Frau“, sagt ein kleiner grauhaariger Mann in schwerem Wollmantel und schaut sich hilfesuchend um. Sie sei in einem der Gänge verschwunden. In dem Fall allerdings kann selbst Klinikleiter Hücker nicht weiterhelfen.

Nicola Klusemann

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