
© M. Burkart
Homepage: Die Konsequenz der Variation Von der Wilden Karde zur Weber-Karde
Im gegenwärtigen Darwin-Jahr erläutern Biologen des Botanischen Gartens der Universität Potsdam in den PNN die Evolutionstheorie und weitere grundlegende Beiträge Darwins zur modernen Biologie am Beispiel der Pflanzen.Die Wilde Karde (Dipsacus fullonum) ist eine etwa mannshohe, distelartige Pflanze.
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Im gegenwärtigen Darwin-Jahr erläutern Biologen des Botanischen Gartens der Universität Potsdam in den PNN die Evolutionstheorie und weitere grundlegende Beiträge Darwins zur modernen Biologie am Beispiel der Pflanzen.
Die Wilde Karde (Dipsacus fullonum) ist eine etwa mannshohe, distelartige Pflanze. Der wissenschaftliche Name Dipsacus bezieht sich auf ein altgriechisches Wort für Durst, denn die Blätter der Pflanze bilden um den Stängel einen flachen Trichter, in dem sich bei Regen Wasser sammelt. Die großen Blütenköpfe der Pflanze enthalten bis zu 1000 Einzelblüten, wovon jede einen Samen bilden kann.
Ein wesentlicher Bestandteil des wissenschaftlichen Erfolges von Darwins Evolutionstheorie war sein Konzept der Selektion. Darwin setzte dafür drei an sich simple Beobachtungen in einen logischen Zusammenhang. Erstens entsteht bei der Fortpflanzung oft eine große Zahl von Nachkommen; zweitens bleibt die Zahl der Individuen über die Generationen ungefähr gleich, die meisten Nachkommen sterben also frühzeitig; und drittens sind die Nachkommen eines Elternpaares untereinander nicht identisch, sondern variieren, auch in lebenswichtigen Eigenschaften. Der logische Schluss, dass diejenigen Nachkommen überleben und sich ihrerseits weiter fortpflanzen, welche am besten an ihre Umwelt angepasst sind, ist sehr naheliegend, und es überrascht, dass niemand vor Darwin auf diese Idee gekommen war. Die Konsequenz der Variation der Nachkommen und des Überlebens der am besten Angepassten ist eine langsame Veränderung der Arten über die Generationen. Damit hatte Darwin den natürlichen Evolutionsmechanismus gefunden.
Bei einer theoretisch möglichen Vermehrungsrate von 1000 wären rechnerisch nur sechs Generationen nötig, bis die gesamte Landfläche der Erde mit Wilden Karden bedeckt wäre, ausreichend effektive Ausbreitungs- und Ansiedlungsmöglichkeiten vorausgesetzt, die es zum Glück nicht gibt. Die natürliche Vermehrungsrate ist denn auch viel geringer; selbst bei den sich invasiv ausbreitenden Wilden Karden in Nordamerika, wo die Pflanze früher nicht vorkam, liegt sie kaum über drei, ganz wie die Selektionstheorie postuliert.
Die Wirksamkeit der Selektion hatte Darwin ausführlich bei der Züchtung von Haustieren und Nutzpflanzen studiert. Auch die Wilde Karde ist eine Nutzpflanze. Ihre borstigen Blütenköpfe dienten getrocknet früher zum Kämmen der Wolle vor dem Spinnen und zum Aufrauen von Wollstoffen, bevor es dafür Maschinen gab. Hauptsächlich wurde dafür aber die Weber-Karde (Dipsacus sativus, Bild rechts) genommen, die eigens dafür angebaut wurde und nur als Kulturpflanze bekannt ist. Die Borsten ihrer Blütenköpfe sind kürzer, steifer und an der Spitze umgebogen, alles günstige Eigenschaften für ihre Verwendung bei der Wollbearbeitung. Vermutlich ist die Weber-Karde durch menschliche Selektion direkt aus der Wilden Karde oder einer nahe verwandten Art entstanden.
Karden und andere Pflanzen als Vorbilder für technische Lösungen sind bei der Führung „Bionik – Die Natur als Vorbild für innovative Technik“ am kommenden Sonntag, den 30. August um 14.30 Uhr im Botanischen Garten an der Maulbeerallee kennenzulernen. Darwins Evolutionstheorie ist in der Ausstellung „Darwins Garten – Evolution entdecken“ noch bis zum 4. Oktober in den Gewächshäusern des Botanischen Gartens zu sehen. Am Tag des offenen Denkmals (13. September) wird ab 13 Uhr im Botanischen Garten das restaurierte Stibadium im Paradiesgarten feierlich wiedereröffnet wird. Michael Burkart
Michael Burkart
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