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Aus dem GERICHTSSAAL: Die Mär vom Fieber

Gericht glaubte die Geschichte vom dringenden Arztbesuch nicht / Haftstrafe

Stand:

Ralf R.* (41) scheint unbelehrbar. Schon 22 mal musste er sich vor Gericht verantworten. Körperverletzung, Diebstahl, Erschleichen von Leistungen und immer wieder Fahren ohne Fahrerlaubnis listet sein Bundeszentralregister auf. Der Potsdamer kassierte diverse Bewährungsstrafen. Gefruchtet haben sie offenbar nicht. Am 18. Februar wurde er erneut im Auto seiner Lebensgefährtin in der Friedrich-Engels-Straße gestoppt. Richterin Kerstin Devriel schickte ihn gestern deshalb für vier Monate ins Gefängnis. Sichtlich geschockt vernahm Ralf R. den Urteilsspruch. Gesenkten Kopfes verließ er den Verhandlungssaal. Dabei hatte er sich so eine schöne Geschichte ausgedacht, um Staatsanwaltschaft und Gericht milde zu stimmen.

„Unser einjähriger Sohn bekam plötzlich 40 Grad Fieber. Meine Lebensgefährtin war in Berlin. Ich wollte mit dem Kind zum Arzt“, begründete der Angeklagte die verbotene Tour. „Ich weiß ja, dass ich nicht fahren darf.“ Für solche Fälle gäbe es Notärzte. Die kämen schnell und könnten an Ort und Stelle reagieren, parierte die Vorsitzende. Die Vertreterin der Ermittlungsbehörde hakte ein: „Ihre Partnerin hat dafür zu sorgen, dass Sie nicht in den Besitz des Zündschlüssels gelangen. Wieso war es Ihnen dennoch möglich?“ Den habe sie an diesem Tag zu Hause vergessen, entgegnete Ralf R. Nun wurde es auch eng für die Frau. Die Staatsanwältin notierte sich den Namen, wird gegen sie eventuell ein Verfahren wegen Zulassens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis einleiten.

Im September 2007 wurden Ralf R. zwei Bewährungsstrafen erlassen. Man glaubte seinen Beteuerungen, er wolle künftig gesetzestreu durchs Leben gehen. Schließlich habe er Verantwortung für seine Familie. Doch schon am 6. Februar zog ihn die Polizei erneut ohne „Pappe“aus dem Verkehr. „Es ist eine Unverschämtheit, dann gleich wieder zu fahren“, betonte die Vorsitzende. „Ihnen ist offensichtlich ganz egal, was man Ihnen bei Gericht erzählt. Sie machen einfach so weiter. Im Übrigen glaube ich Ihnen die Geschichte mit dem Fieber Ihres Kindes nicht. Sie haben offenbar immer eine passende Story parat.“ Auch die Staatsanwältin hielt die Erkrankung des Sohnes für eine Schutzbehauptung des Angeklagten. Besonders schäbig fand sie, dass er durch sein Tun die Lebensgefährtin in den „Bereich des Strafbaren hineingezogen“ habe. Ginge es nach ihr, solle Ralf R. sogar für fünfeinhalb Monate hinter Gitter, damit er genügend Zeit zum Nachdenken fände. „Das Einzige, was man Ihnen zugute halten kann, ist Ihr Geständnis“, resümierte Richterin Devriel. Über Bewährung brauche man bei dieser Latte von Vorstrafen allerdings nicht mehr zu diskutieren. (*Name geändert.) Hoga

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