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Aus dem GERICHTSSAAL: Die Mär vom Nachtrunk

Rechtsmediziner widerlegte Angeklagten-Aussage. Dann überraschendes Geständnis – 3150 Euro Strafe

Stand:

Der BMW war als solcher nicht mehr zu erkennen. Guido G.* (29) hatte sich mit dem Wagen am 28. Mai 2007 auf der Autobahn kurz hinter Potsdam mehrfach überschlagen. Das Auto krachte in die Leitplanke, landete schließlich auf dem Dach und begann zu brennen. Guido G. und sein Bruder Gernot* krabbelten aus dem Wrack, beide unter Schock. Gernot, der Beifahrer, erlitt eine Kopfverletzung und Prellungen. Er kam ins Krankenhaus, Guido G. auch. Ihm wurde wenig später eine Blutprobe entnommen. Sie zeigte 1,51 Promille. Die Polizei stellte fest, dass ihm die Fahrerlaubnis für ein Jahr entzogen worden war.

Gestern saß Guido G. wegen Trunkenheit am Steuer, Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie fahrlässiger Körperverletzung auf der Anklagebank. „Ich bekenne mich nicht schuldig“, verkündete der Bankkaufmann zu Prozessbeginn. Schließlich sei er vor Fahrtantritt nüchtern gewesen. Dann erzählte er eine Story, die ihm wohl die wenigsten im Gerichtssaal abnahmen. „Wir waren auf einem Familientreffen. Weil der nächste Tag ein Feiertag war, habe ich mich spontan entschlossen, meinen Bruder nach Hause zu fahren und bei ihm in Berlin zu bleiben.“ Er habe sich mit 180 Sachen auf der Mittelspur der nächtlichen Autobahn bewegt. Urplötzlich sei ein roter Pkw neben ihm aufgetaucht. „Der fuhr – ohne zu blinken – auf unsere Spur. Ich versuchte noch auszuweichen, da hat es auch schon gekracht“, so der Angeklagte. Bevor der BMW richtig in Flammen stand, habe sein Bruder noch den Alkohol gerettet, den er zuvor an einer Tankstelle kaufte. „Gernot hat ein Bier getrunken. Mir hat er zwei Taschenflaschen Schnaps gegeben.“ Total neben sich stehend habe er eine auf ex geleert, die zweite angebrochen. „Kann sein, dass ich die auch noch geschafft habe.“

Gernot G. (23)versicherte im Zeugenstand, die Schnapsflaschen hätten lediglich Kümmerling-Größe gehabt. Ansonsten stimmte seine Aussage hundertprozentig mit den Angaben seines älteren Bruders überein. Der zur Verhandlung geladene Rechtsmediziner rechnete und rechnete. Aber die festgestellte Promillezahl wollte nicht recht zu der vermeintlichen Nachtrunk-Menge passen. Das Gericht unterbrach die Verhandlung, gab dem Angeklagten sowie seinem Verteidiger Zeit für ein Gespräch unter vier Augen. Danach erklärte der Rechtsanwalt: „Mein Mandant räumt den Anklagevorwurf vollinhaltlich ein.“ Guido G. wurde zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 45 Euro verurteilt. Da die Wahrheit noch während des Prozesses ans Licht kam, muss Gernot G. übrigens nicht mit einem Verfahren wegen uneidlicher Falschaussage rechnen. (*Namen von der Redaktion geändert.) Hoga

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