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Landeshauptstadt: Die Mauern schweigen noch

Gesamtkonzept für Gedenkstätte „Lindenstraße 54“ angemahnt

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Gesamtkonzept für Gedenkstätte „Lindenstraße 54“ angemahnt Innenstadt - Die Situation der Gedenkstätte „Lindenstraße 54“ steht in der Kritik. „Es ist nicht mehr viel von der Gedenkstätte übrig.“ Zu diesem Schluss kam der Vorsitzende der SPD-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung, Mike Schubert, nach einer Besichtigung des historisch vielschichtigen Hauses. Die Stadtverwaltung wird auf der heutigen Stadtverordnetenversammlung eine Große Anfrage der SPD-Fraktion zur Zukunft der Lindenstraße 54 beantworten. Wie Schubert gestern auf Anfrage erklärte, sei die Unterbringung der Unteren Denkmalschutzbehörde in dem Haus „ein Provisorium, das nie wieder in Frage gestellt worden ist“. Es seien zur Nutzung des Hauses viele Einbauten vorgenommen worden, die dem Charakter des ehemaligen Volksgerichtshofs-, NKWD- und Staatssicherheitsgefängnisses nicht gerecht würden. Schubert nannte als Beispiel Plexiglas-Türen, damit ehemalige Zellen als Lagerräume verwendet werden können. Seiner Ansicht nach könnte die Gedenkstätte mit größerem Nutzen für die Stadt betrieben werden. Schubert will in seiner Anfrage unter anderem beantwortet haben, wie das Potsdam-Museum die durch die Untere Denkmalschutzbehörde vorgenommenen Einbauten „in Bezug auf den musealen Charakter des Gebäudes“ bewertet. Indes hat Hans-Hermann Hertle vom Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) in einem gestern veröffentlichten Memorandum erklärt, das gestiegene Besucherinteresse stehe „in krassem Gegensatz zu dem, was in der Gedenkstätte bisher an Informationen und Exponaten geboten wird und was der historischen Bedeutung dieses Ortes angemessen ist“. Wie Hertle gestern sagte, habe sein Forschungsinstitut zusammen mit dem Förderverein bislang über 100000 Euro für Ausstellungen in der Lindenstraße 54 und für Forschungsprojekte zur Geschichte des Hauses eingeworben. Nun sei aber der Augenblick gekommen, wo die Drittmittelgeber, etwa die Stiftung Aufarbeitung und das Forschungsministerium des Landes, sehen wollten, „dass die Lindenstraße für die Stadt Potsdam ein eigenes Anliegen ist“. Das Engagement der Stadt für den geschichtsträchtigen Ort müsse für Außenstehende erkennbarer werden. Hertle kritisiert, dass das Potsdam-Museum über keinen eigenen Sachetat für die Lindenstraße verfüge. Die Ausgaben für die Gedenkstätte liegen laut Hertle unter zehn Prozent des Etats des Potsdam-Museums und deckten nur die Betriebskosten. Hertle zufolge müsste die Geschichte der politischen Verfolgung im 20. Jahrhunderts umfangreicher dokumentiert und dargestellt werden, bislang würden die „Zellen und Mauern schweigen“. Wie Hertle erklärte, sei die Geschichte des Hauses zur Zeit des Nationalsozialismus, als die Lindenstraße Sitz des Erbgesundheitsgerichtes war und vom Volksgerichtshof Verurteilte dort einsaßen, kaum erforscht. Auch über die Phase zwischen 1945 und 1952, als der sowjetische Geheimdienst NKWD dort Menschen wie etwa den heute 76-jährigen Peter Runge verhörte und einsperrte, sei nur das bekannt, was überlebende Zeitzeugen berichteten. Peter Runge sagte gestern den PNN, er versuche seit geraumer Zeit Einsicht in den Mietvertrag zwischen dem Kommunalen Immobilienservice (KIS) und der Unteren Denkmalschutzbehörde zu nehmen. Ihm werde dies verweigert, obwohl der Datenschutzbeauftragte des Landes sein Anliegen unterstütze. Seiner Ansicht nach habe die Denkmalschutzbehörde „einen großen Teil“ des Hauses „in Beschlag genommen“. Ein Gesamtkonzept für die Gedenkstätte fehle. KIS-Chef Norbert John sagte, der Wunsch Runges auf Akteneinsicht sei von der Rechtsabteilung abgelehnt worden, da er sich „auf privatrechtliche Vorgänge innerhalb der Stadtverwaltung“ beziehe. Ein anderer Standort für die Behörde sei wegen des Archivs und einer Sammlung nicht ohne Weiteres zu finden. Guido Berg

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