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Dem Verfall preisgegeben. Seit 1994 werden die historischen Gebäude auf dem ehemaligen Kasernengelände nicht mehr genutzt. Die Stadt will sie denkmalgerecht sanieren lassen und Wohnungen unterbringen. Doch die Besitzverhältnisse sind noch ungeklärt.

©  M. Thomas

Entwicklungsgebiet im Norden Potsdams: Die nächste Enteignung?

Sollten die Krampnitz-Flächen in Privatbesitz bleiben, will die Stadt einen Verkauf womöglich erzwingen

Von Katharina Wiechers

Stand:

Krampnitz - In Potsdam steht womöglich ein Enteignungsverfahren im großen Stil an. Sollte tatsächlich die TG Potsdam Eigentümer der Krampnitz-Flächen im Norden Potsdams bleiben und diese nicht an die Stadt verkaufen, erwäge die Verwaltung ein entsprechendes Verfahren, sagte Potsdams Baubeigeordneter Matthias Klipp (Grüne) am Freitag den PNN. Dies sei möglich, weil das Gelände zum Entwicklungsgebiet erklärt wurde – die Stadt also bestimmen darf, was auf dem Areal gebaut wird.

Grund dafür, dass die Stadt nun mit Enteignungen droht, ist die erwartete Niederlage des Landes vor dem Oberlandesgericht (OLG) in Brandenburg/Havel im Streit mit der TG Potsdam. Bei einer mündlichen Verhandlung am Donnerstag hatte sich abgezeichnet, dass das Land die Flächen nicht zurückkaufen darf und die TG somit Eigentümer bleibt. Eine endgültige Entscheidung soll am 16. Oktober verkündet werden.

Das Land hatte das Gelände unter dem damaligen Finanzminister Rainer Speer (SPD) 2007/2008 an die TG Potsdam verkauft, die das Gelände nach eigenen Angaben ebenfalls zum Wohngebiet machen wollte. Später wurde die Seriosität der Käufer allerdings in Zweifel gezogen – unter anderem stellte sich heraus, dass sich hinter der TG Potsdam nicht wie vermutet die renommierte dänische Thylander-Gruppe, sondern ein Firmengeflecht um den früheren Hannoveraner Anwalt Ingolf Böx und den Unternehmer Rolf Haferkamp verbarg. Die Enthüllungen um den dubiosen Verkauf trugen letztlich zum Rücktritt Speers bei und zogen einen über Jahre andauernden Untersuchungsausschuss nach sich. Mittlerweile geht man davon aus, dass Böx das Gelände gar nicht wirklich entwickeln, sondern gewinnbringend weiterverkaufen wollte.  Um der TG das Handwerk zu legen, hatte das Land 2011 einen Rückkauf der Flächen eingeleitet, wogegen aber wiederum die TG klagte. In erster Instanz gab das Landgericht Potsdam dem Land auch Recht, das OLG sieht das nun aber offenbar anders und die TG als rechtmäßigen Eigentümer.

Da das Gebiet mittlerweile aber per Beschluss der Potsdamer Stadtverordneten zum Entwicklungsgebiet erklärt wurde, können dort private Pläne ohnehin nicht mehr realisiert werden. Der Grundstückswert ist auf dem Stand von 2010 eingefroren, die Bebauung muss nach den Vorstellungen der Stadt erfolgen. Sollte sich die TG Potsdam weigern, dies zu tun oder dazu nicht in der Lage sein, bekommt sie von der Stadt ein Kaufangebot unterbreitet (siehe Interview). Können sich Stadt und TG nicht über den Verkauf einigen, will die Stadt laut Klipp ein Enteignungsverfahren einleiten.

Dies kann allerdings lange dauern, wie sich derzeit am Groß Glienicker See zeigt. Dort will die Stadt einige Anrainer enteignen, die sich weigern, Teile ihrer Grundstücke für einen öffentlichen Uferweg zur Verfügung zu stellen. Bereits Anfang 2012 hatte die Stadt bei der zuständigen Behörde im Brandenburger Innenministerium die Enteignungsanträge gestellt, doch bis jetzt – fast drei Jahre später – ist noch keine Entscheidung gefallen.

Der Zeitplan für das neue Wohngebiet ist aus Sicht der Stadt aber dennoch nicht gefährdet. Bei den Planungen war die Stadt laut Klipp ohnehin davon ausgegangen, dass das Land gegen die TG verlieren würde. Bis 2023 sollen auf dem Arael 1600 Wohnungen für rund 3800 Menschen entstehen. Einerseits sollen neue Einfamilienhäuser gebaut, andererseits die historischen Kasernengebäude denkmalgerecht saniert werden. Die Kaserne war 1939 als „Heeres Reit- und Fahrschule und Kavallerieschule Krampnitz“ fertiggestellt worden. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde sie von den Sowjets genutzt und erweitert. Seit dem Abzug der Roten Armee 1994 liegt das Gelände brach, die Gebäude verfallen zusehends. Im Frühjahr soll mit der Sicherung des Bestands begonnen werden.

Hinter den Kulissen hat sich unterdessen offenbar ein Eigentümerwechsel bei den Tochterfirmen der TG Potsdam ergeben. Aus einem Schreiben, das den PNN vorliegt, geht hevor, dass die „GGH Gartenstadt-Gesellschaft Hellerau AG gegr. 1908“ als neuer Investor eingestiegen ist. Die Gartenstadt-Gesellschaft gehört zu großen Teilen dem Leipziger Immobilienunternehmer Oliver Bechstedt. Ob Bechstedt damit nun Haupteigner der Krampnitzer Flächen ist, was er sich davon erhofft und ob Böx damit aus dem Spiel ist, war am Freitag nicht zu erfahren. Für die PNN war Bechstedt nicht zu erreichen. Haferkamp ist offenbar weiter beteiligt – als alleiniger Gesellschafter der TG-Muttergesellschaft, wie aus dem Handelsregister ersichtlich ist.

Bechstedt ist bekannt geworden mit der Sanierung und dem Verkauf von denkmalgeschützten Immobilien – und einem nach Ansicht von Anlegerschützern umstrittenen Vermarktungsmodell. Dabei werden nach Angaben der Berliner Kanzlei „Resch Anwälte“ Schrottimmobilien mit dem Versprechen vermarktet, dass der Erwerb sich für die Käufer durch Steuervergünstigungen und Miteinnahmen von allein trage und nach zehn Jahren ein Weiterverkauf mit Gewinn möglich sei. Mit demselben Modell waren bereits 2010, als die Krampnitz-Affäre hochkam, Investoren auf dem Kasernen-Gelände aufgetreten und versprachen hohe Renditen für Anleger und Steuervorteile, weil die Gebäude unter Denkmalschutz stehen. Die auf Anlegerschutz spezialisierte Resch-Kanzlei hält derlei Vorgehen für unmöglich, die nötigen Zahlungen der Käufer seien höher, der Weiterverkauf nur zu einem Bruchteil des Anschaffungspreises möglich. Und sie warnt, dass Kunden überrumpelt würden, aus angeblichen Angebotsbestellungen notarielle Kaufangebote geworden seien.

Wie sich derlei Vermarktungsstrategie mit den Plänen und Zielen der Stadt Potsdam für das  Entwicklungsgebiet überhaupt vereinbaren lässt, ist völlig unklar.(mit axf, SCH)

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