Landeshauptstadt: „Die Nachtigall ist ein talentierter Opernsänger“
Der Naturschützer und Autor Ernst Paul Dörfler über das erste Potsdamer Nachtigallenkonzert und das Liebesleben der Vögel
Stand:
Herr Dörfler, Sie versprechen den Potsdamern am Freitag ein Nachtigallenkonzert unter freiem Himmel. Was genau darf man sich denn darunter vorstellen?
Nun, wir werden ein Orchester aus vielen Solisten hören und die Vögel sind dabei die Interpreten. Wir werden dann gemütlich spazieren, dabei zuhören und plaudern. Dabei wird die Nachtigall den Höhepunkt bieten, auch wenn es fast noch ein bisschen früh für sie ist in dieser Jahreszeit.
Das heißt, die Vögel übernehmen dabei wie in einem Orchester die Rollen der Musiker mit bestimmten Instrumenten?
Das kann man so sagen, ja. Die Amsel flötet zum Beispiel, also übernimmt sie die Flöte. Die Drossel hingegen schlägt sehr rhythmisch, sie stellt also quasi das Schlagzeug dar. Bei der Nachtigall wird es schon schwieriger, sie einem Instrument zuzuordnen. Sie ist so vielfältig: Einerseits klagt sie, sie schluchzt und verfällt in ein pfeifendes Crescendo. Vielleicht kann man sagen, sie ist ein sehr talentierter Opernsänger. Immerhin beherrscht sie sieben bis acht Oktaven. Interessant bei ihr ist auch der sogenannte Kontergesang, bei dem ein Männchen – denn nur die singen besonders laut, auch die Weibchen singen, aber nur sehr leise – sein Lied singt und ein anderes Männchen darauf mit seiner eigenen Interpretation darauf antwortet. Die versuchen sich dann gegenseitig zu übertreffen – auch ein wenig wie in der Oper.
Also wird das Ganze für die Zuhörer einen wirklichen Konzertcharakter haben?
Ja, schon. Natürlich gibt es keinen Dirigenten, aber trotzdem klingt alles ausgewogen. Eine Harmonie ist gegeben, aber es ist mehr ein freies Vortragen mehrerer Akteure.
Wie sind Sie denn auf die Idee gekommen, einen solchen Konzertabend zu „organisieren“?
Nun, wissen Sie, ich bin seit 30 Jahren als freier Naturschützer tätig und für mich ist es wichtig, den Menschen wieder an die Natur heranzuführen. Vögel bieten sich da sehr gut an: Jeder kennt sie, sie sind vielfältig und singen eben. Fast jeder hat Spaß an Musik und durch Spaß gewinnt man Aufmerksamkeit. Die Vögel sind in dem Fall meine Assistenten, sie locken auf das richtige – oder besser wichtige – Thema hin: den Naturschutz.
Die Gäste hören also am Freitag nicht nur ein Konzert, sondern lernen dabei auch noch etwas über die Natur im Allgemeinen?
Aber ja! Natürlich geht es in erster Linie um die Vögel. Gerade auch um die Nachtigall und ihr Paarungsverhalten. Schon darüber kann man eine Menge lernen. Aber letztendlich geht es mir auch um das große Ganze, um den Schutz der Arten und ihrer Lebensräume und nicht zuletzt um unsere natürlichen Lebensgrundlagen.
Über das Paarungsverhalten der Nachtigall geht es ja auch in Ihrem Buch mit dem Titel „Liebeslust und Ehefrust der Vögel“. Was ist denn das Besondere am Liebesleben der Vögel?
Nun, bei der Nachtigall gibt es ganz bestimmte Flirtrituale: Das Männchen macht den ersten Schritt, das Weibchen ziert sich am Anfang noch etwas und ist sehr wählerisch. Dann gibt es ganz verschiedene Beziehungstypen, die auch auf die Menschen übertragbar sind. Jeder kann sich da irgendwo einordnen. Allerdings muss man da auch aufpassen: Nicht jedes Modell ist für uns Menschen geeignet. Ich übernehme keine Haftung für eventuelle Folgen! (lacht) Aber wir sind ja vernunftbegabte Wesen und können auch unterscheiden, was gut für uns ist und was nicht.
Woher nehmen Sie Ihr Wissen über die Vögel?
Das ist einfach lebenslange Erfahrung. Ich habe schon als kleiner Junge Gänse gehütet und Schwalben beobachtet. Für meine Bücher recherchiere ich natürlich auch viel, lese die Studien anderer Forscher. Aber ich verbringe einfach auch die meiste Zeit meines Lebens draußen in der Natur. Somit entwickle ich auch ein ganz anderes Gefühl für die Dinge. So wie andere ihr Lieblingslied an den ersten Takten erkennen, weiß ich nach den ersten drei Tönen, um welchen Vogel es sich handelt.
Was machen Sie denn, wenn die Vögel sich am Freitagabend als Musiker verweigern sollten?
Das kann natürlich immer passieren. Die Vögel lassen sich schließlich nicht verpflichten. Sie haben zwar ihre Gewohnheiten, sind aber keine Dogmatiker und weichen schon mal davon ab. Das hängt ja auch von ganz vielen Faktoren ab.
Wovon denn?
Wind zum Beispiel mögen sie gar nicht, Regen hingegen macht ihnen nichts aus. So oder so werden die Besucher aber etwas zu hören bekommen. Ich habe für den Notfall Tonbeispiele in der Tasche. Das Lied der Nachtigall werden wir auf jeden Fall hören, das trage ich auch selbst vor.
Wie bitte, Sie singen das Lied der Nachtigall selbst?
Nun ja, das ist eher ein rezitativer Vortrag. Ein Gedicht – aber in der Sprache der Nachtigall. Das ist ein sehr altes Gedicht. Sie müssen bedenken, früher hatten die Menschen eine viel intensivere Bindung zur Natur. Viele Künstler, wie zum Beispiel Wolfgang Amadeus Mozart, haben sich inspirieren lassen, weil sie noch viel besser hingehört haben. Auch darum soll es am Freitag gehen, um die kulturelle Bedeutung der Vögel. Die ja letztendlich auch wieder zu meinem großen Thema, der Hinwendung zur Natur führt.
Eignet sich denn Potsdam gut als „Konzertort“?
Nun, in Potsdam haben die Vögel wunderbare Bedingungen: Es gibt Wald, Parkanlagen, Wiesen und vor allem viel Wasser. Somit ist die Vogellandschaft in der Landeshauptstadt sehr vielfältig. Die Nachtigall braucht zum Beispiel eher verwilderte, ungepflegte Natur. Das findet sie in Potsdam zum Glück noch. Trotzdem bin ich gespannt. Ich lade zwar schon seit zehn Jahren zu Vogelkonzerten ein, aber in Potsdam hat es am Freitag Premiere.
Könnten Sie sich vorstellen, diese Veranstaltung in Zukunft öfter hier stattfinden zu lassen?
Aber ja. Ich selber bin ja auch oft in Potsdam, da ich auch Mitglied des Naturschutzverbandes BUND Brandenburg bin. Und wenn das Interesse da ist, dann soll das auf jeden Fall Tradition hier werden. Ich mache das jetzt schon seit drei Jahren in Magdeburg und da habe ich immer ein zahlreiches Publikum. Wenn sich das hier auch so entwickelt, würde ich mich sehr freuen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Sarah Kugler.
Das erste Nachtigallenkonzert in Potsdam findet am morgigen Freitagabend unter Leitung von Ernst Paul Dörfler statt – Veranstalter ist der Naturschutzverband BUND Brandenburg. Treffpunkt ist 20 Uhr am Babelsberger Park, Eingang Alt Nowawes, Ecke Grenzstraße. Der Eintritt ist frei.
Ernst Paul Dörfler (63) ist Naturschützer und Autor. Er arbeitete seit den 1970er-Jahren an Studien zur ökologischen Situation in der DDR mit und war 1989 Mitgründer der Grünen in der DDR.
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