
© Olaf Möldner
Von Henner Mallwitz: Die neuen sind die alten Regeln
Die Potsdamer Robert Kopiske und Mario Schendel starten bei den Judo-WM und müssen sich umstellen
Stand:
Ein wenig beunruhigt ist Robert Kopiske doch: Der Mattenkämpfer des UJKC Potsdam geht gleich am ersten Tag der am morgigen Mittwoch beginnenden Judo-Weltmeisterschaften im niederländischen Rotterdam erstmals bei einer WM der Männer im 60-Kilo-Limit auf die Matte, und ausgerechnet kurz zuvor legte der Weltverband neue Regeln fest. Diese sind eigentlich alt, wurden in den vergangenen Jahren jedoch nicht mehr ausschließlich angewandt. Angriffe unterhalb der Gürtellinie, bei denen mit gesenktem Kopf „in den Gegner gegangen“ wurde, werden künftig beispielsweise ebenso geahndet wie das Lösen des Gegners mit beiden Händen vom Revers.
„Das jedoch ist gerade meine Stärke“, sagt Kopiske, der erst kürzlich diese Techniken bei mehreren Lehrgängen in Brasilien noch einmal vermittelt bekam. „Allerdings hatte ich in Potsdam von Beginn an auch eine sehr gute Ausbildung, in der mir immer der klassische Judosport vermittelt wurde. Die nunmehr verbotenen Techniken mussten natürlich auch eine Rolle spielen – allein, um gegen die internationalen Gegner keinen Nachteil zu haben.“
Kopiskes Trainer Axel Kirchner kann das Handeln des Verbandes indes gut verstehen. Gerade die Judoka aus dem osteuropäischen Raum, aus den Ländern der einstigen Sowjetunion, hatten sich in den vergangenen Jahren vor allem auf diese Techniken spezialisiert, während Judo- Nationen wie Japan oder Brasilien die klassische Auslegung des alten Kampfsports praktizierten. „Da sollte man auch wieder hinkommen, denn Judo ist nunmal kein Ringen“, sagt der Erfolgscoach. Wohl wissend, dass für so manchen Athleten dadurch eine Welt zusammenbricht. „Ich schätze, dass sich nach dieser WM einige großartige Leute, auch Olympiasieger vom Judosport verabschieden werden“, sagt Kirchner. „Wenn du dein ganzes Leben mit diesen Techniken gekämpft hast, kannst du dich unmöglich mit einem Mal komplett umstellen.“
Neben Robert Kopiske hat sich aus Potsdam auch Mario Schendel in der 73-Kilo-Klasse für die WM qualifiziert. Kirchner ist sich sicher, dass die Regeländerung beiden entgegen kommt, da in Potsdam stets das „klassische, alte Judo“ gelehrt wurde. „Das tangiert uns also alles nicht so sehr, weil sich diese neuen, alten Regeln am Ende durchsetzen werden.“
Die letzte WM-Vorbereitung absolvierte Robert Kopiske im Trainingslager in Kienbaum. Verteidigungsminister Franz Josef Jung schaute den Männern über die Schultern, ansonsten stand vor allem die Simulation von Wettkämpfen im Vordergrund. Eine gute Übung für den 19-Jährigen, der in seiner Gewichtsklasse kaum einen gleichwertigen Partner fand. „Also musste ich gegen schwerere Gegner kämpfen, und das lief sehr gut“, so der Potsdamer, der sich mit der Regeländerung jedoch noch ein wenig schwer tut. „Ich habe Angst, auf der Matte zu stehen und zu überlegen, was ich nicht machen darf. Das blockiert doch den Kampf.“ Zu verlieren hat der Newcomer bei seiner ersten Männer-WM allerdings nichts. So viele Kämpfe wie möglich will er absolvieren, und die Niederlagen sollen möglichst knapp ausgehen. „Am liebsten hätte ich den Österreicher Lupo Paischer als Gegner“, sagt Kopiske. „Der holte im vergangenen Jahr Silber in Peking und wäre eine tolle Herausforderung.“
Als solche sieht auch Mario Schendel die WM. Die Internationalen Deutschen Meisterschaften liefen für ihn weniger gut. „Ich habe gut abgenommen, bin fit und hoch motiviert“, sagt der 26-Jährige, der an 14. Stelle der Weltrangliste steht und ebenfalls erstmals bei einer Männer-WM startet. 2007 stand er schon einmal im ursprünglichen Aufgebot, erlitt aber kurz zuvor einen Kreuzbandriss und muste die WM in Rio absagen. „Ich habe mit der Nationalmannschaft wirklich harte Wochen hinter mir und bin daher in einem Trainingszustand, den ich vorher sicherlich noch nie erreicht hatte“, erklärt er nun. „Von daher kann ich positiv gestimmt an diese Aufgabe herangehen. Eine Medaille wäre natürlich das Nonplusultra.“
Henner Mallwitz
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: