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Über die Schulter geschaut. PC-Spieler locken Neugierige an.

© dpa

Von Richard Rabensaat: Die Neugierde ausnutzen Katie Salen konzipiert Spiele für Computer

Katie Salen spricht über die Zukunft des Lernens. „Man muss Computerspiele für den Über-die-Schulter-Gucker designen“, sagt die amerikanische Professorin für Computerspiele im Hörsaal des Hasso-Plattner-Institutes in Potsdam.

Katie Salen spricht über die Zukunft des Lernens. „Man muss Computerspiele für den Über-die-Schulter-Gucker designen“, sagt die amerikanische Professorin für Computerspiele im Hörsaal des Hasso-Plattner-Institutes in Potsdam. Wenn ein Kind mit Spielkonsole im Raum ist, dauere es nicht lange, bis sich andere neugierig darum gruppierten. Sie wollen Spielverlauf und die Schwierigkeiten des Spiels ergründen. Diese Neugierde will die Wissenschaftlerin für den Schulunterricht und die Wissensvermittlung nutzen. Salen war vom Digarec Zentrum für Computerspielforschung der Uni Potsdam zu einem Vortrag eingeladen worden.

In der von ihr neu gegründeten „Gaming School“ in New York setzt die Spieledesignerin- und Theoretikerin ihr Konzept der Neugierde in die Praxis um. In ihrer Unterrichtsgestaltung verlässt sich die Spieleexpertin ganz auf den Spaß am Lernen und die Neugier der Schüler. Sie sei immer ein neugieriges Kind gewesen und habe es geliebt zu lernen, fasst Salen ihre Erfahrungen mit der herkömmlichen Schulpädagogik zusammen. Heute aber funktioniere das Lernen anders. „Mein dreijähriger Neffe kann kaum sprechen, aber berichtet mir schon von hunderten von Pokemon Charakteren“, erzählt sie. Diese Erfahrung bestätigt Salen in der Einschätzung, dass es viel einfacher sei, spielend zu lernen als Wissen frontal vermittelt zu bekommen. Unterrichtsstoff der Schule sind dabei ganz konventionelle Schulfächer wie Mathe, Biologie und Erdkunde. Ob es funktioniert, kann sie noch nicht sagen, das Experiment ist auf sieben Jahre angelegt, die Schule existiert erst wenige Monate.

Reichlich Erfahrung mit der spielerischen Vermittlung hat Salen jedoch in anderen Projekten gesammelt. Zusammen mit Designern entwickelte sie in Minnesota eine Version des „Mensch ärgere dich nicht“-Spiels, an dem sich die ganze Stadt beteiligen konnte. Mehrere Meter hohe, aufblasbare Figuren in Rot, Gelb und Blau bewegten die teilnehmenden Spieler in sommerlicher Hitze durch die Straßen der Stadt. Den Weg der Riesenkegel stellte das Team unmittelbar ins Internet. Dort konnten Spieler diskutieren, ob der gewählte Pfad denn auch wirklich klug war und den Spielverlauf kommentieren. Bilder der Aktion lassen vermuten, dass es ein Riesenspaß gewesen ist.

Besonders interessant aber findet die Professorin einen anderen Aspekt. „Da fanden Begegnungen von Leuten statt, die zuvor überhaupt nichts miteinander zu tun gehabt haben.“ Arme und reiche Nachbarn, die ansonsten strikt getrennte Leben führten, hätten plötzlich gemeinsam die Spielfiguren bewegt und das weitere Spiel diskutiert. „Die Leute sind mit den Figuren durch die Straßen gerannt. Kinder sind begeistert so weit mitgelaufen, dass wir sie nachher mit dem Bus nach Hause bringen mussten.“

Obwohl die Designerin auch schon Filmprojekte mitgeplant und neue Konzepte für Computerspiele entwickelt hat, interessieren Salen nicht so sehr die technischen Aspekte des neuen Mediums, sondern die sozialen. Das gemeinsame Erleben stünde ohnehin dann im Vordergrund, wenn das Spiel schon im Internet für eine große Community angelegt sei. Aber auch Spieler, die sich alleine über eine Konsole beugen, würden mit anderen die Schwierigkeiten und Kniffe des Spiels besprechen.

Das Projekt „Karaoke Ice“ begeisterte die Bürger von San Jose. Mit einem speziell ausgebauten, bunt angestrichenen Truck und entsprechend programmiertem Computer zog Salen durch die Stadt und lud zum Mitsingen ein. Es war ein Tauschgeschäft: Eis gegen gesungenes Lied. „Beim Karaoke entsteht ein besonderer, geschützter Raum. Das wissen und akzeptieren die Leute“, behauptet Salen. Auch hierbei hätten sich soziale Schichten vermischt, die sonst strikt getrennt seien. „Einige mussten wir erst überreden, bevor sie sich getraut haben.“ Dann aber hätte der Architekt nach Büroschluss genauso begeistert mitgemacht wie die Dame aus dem Altersheim.

Richard Rabensaat

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