ORTSTERMIN: Die Panik der lieben Eltern
Sie überwachen jeden Schritt, sind überbesorgt und fördern, wo es nichts zu fördern gibt – so oder so ähnlich beschreibt Josef Kraus, Präsident des deutschen Lehrerverbandes, die Generation der sogenannten Helikopter-Eltern. Also solche Eltern, die nur darauf fixiert sind, aus ihren Kindern ein schönes Gesamtkunstwerk zu formen.
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Sie überwachen jeden Schritt, sind überbesorgt und fördern, wo es nichts zu fördern gibt – so oder so ähnlich beschreibt Josef Kraus, Präsident des deutschen Lehrerverbandes, die Generation der sogenannten Helikopter-Eltern. Also solche Eltern, die nur darauf fixiert sind, aus ihren Kindern ein schönes Gesamtkunstwerk zu formen. Das alles hat Kraus in seinem Buch „Helikopter-Eltern: Schluss mit Förderwahn und Verwöhnung“ niedergeschrieben und wollte nun seine Thesen am vergangenen Montagabend auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung im Steigenberger Hotel Sanssouci interessierten Eltern näherbringen.
Dumm nur, dass die Eltern ausblieben. Zumindest solche Eltern, die noch Kinder im erziehungsnötigen Alter haben. Denn den größten Teil der etwa 40 Zuhörer nahmen Interessierte höheren Semesters ein, von denen sich viele im späteren Gespräch als ehemalige Dozenten oder Lehrer outeten. Eine pädagogische Übermacht also, die sich am Montagabend versammelte und die Ausführungen von Kraus immer wieder mit lautem Applaus bejubelte. Der nahm den Grauhaaranteil im Publikum mit Humor und begrüßte die Anwesenden als „Helikopter-Omas und -Opas“. Überhaupt unterbreitete der Referent seine Thesen über die Überwachungseltern mit viel Humor. Etwa wenn er erzählte, dass Eltern sich beschweren, weil sich nicht in jedem Klassenraum Wasserspender befänden. Schließlich sei das in Finnland auch so und daher kämen die guten Ergebnisse in den internationalen Schulleistungsuntersuchungen wie etwa dem Pisa-Test. Das sei nebenbei gesagt in Deutschland auch ein nationales Trauma, da nur wir – und vielleicht noch die Österreicher – so panisch auf die Ergebnisse reagierten.
Panik sei überhaupt ein Stichwort in Bezug auf die Helikopter-Eltern. Denn die hätten Panik vor allem: Sei es, dass den Kindern auf dem Weg zur Schule etwas passiert, dass ihre Kinder Opfer von Mobbing werden oder – der schlimmste aller Albträume – dass sie schlechte Noten kassieren. Deswegen wird das Kind mit dem Auto am besten noch in den Klassenraum gefahren und die angeblichen Mobbingtraumata auch noch gleich dazu benutzt, um bessere Noten zu erschleichen.
Bei aller Wetterei räumt Kraus auch ein, dass es natürlich Kinder gibt, die gemobbt werden und die deswegen Schulangst entwickeln, woraus wiederum schlechte Noten resultieren. Umso schlimmer sei es, dass manche Eltern solche Gründe vorschieben würden, nur um ihrem Kind etwa einen Gymnasiumsplatz sichern zu können. „Es greift eine Welle der Totalverwöhnung um sich“, so Kraus. „Und das führt dazu, dass wir eine Generation junger Leute ohne eigenen Antrieb heranzüchten.“ Denn sie seien es gewohnt, dass andere für sie die Verantwortung übernehmen. Die Ursachen für ein solches Elternverhalten lägen auch daran, dass diese immer später Nachwuchs bekämen. Besonders Akademiker bekämen immer später Kinder und meistens dann auch nur eins, um das sich alle Gedanken drehten. Eine Lösung gegen das Helikoptersyndrom sei also, einfach mehr Kinder in die Welt setzen und am besten gleich im Alter von 20 Jahren anfangen.
Die pädagogische Übermacht bestätigte das mit zustimmendem Murmeln und Nicken. In den hinteren Reihen waren allerdings auch leise (und jüngere) Stimmen des Widerspruchs zu hören. Schließlich habe es ja auch seine Gründe, dass manche Frauen erst spät Kinder bekämen. Etwa, weil es nicht immer leicht sei, Familie und Karriere unter einen Hut zu bekommen. In der allgemeinen Begeisterungswelle gingen diese Stimmen aber leider unter. Sarah Kugler
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