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Landeshauptstadt: Die Pflicht, die Welt zu erleuchten

Das jüdische Lichterfest wird auch in Potsdam traditionell gefeiert – mit Menora und heißen Kartoffelpuffern

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Es ist die zweite Kerze, die Mirijam und Menachem an diesem Abend anzünden dürfen. Ihr Vater hat ihnen zuvor seinen Segen gegeben, nun erfüllt sein feierlicher Gesang den Raum. Dann flackern je drei Lichter an den drei achtarmigen Leuchtern, die in der Potsdamer Wohnung der jüdischen Familie Presman aufgestellt sind – einer für jedes Kind und der große, prächtige für die ganze Familie. Gefeiert wird hier an diesem Montagabend, der für die Christen der zweite Weihnachtsfeiertag ist, nicht etwa Weihnachten, sondern das jüdische Chanukka-Fest.

Das acht Tage dauernde Fest begann in diesem Jahr nach dem jüdischen Kalender am 25. Dezember. Ab diesem Tag wird jeweils nach Sonnenuntergang eine Kerze an dem Leuchter, der Menora, angezündet. Die erste Kerze ist die in der Mitte. Sie wird als dienendes Licht, als Symbol für den Menschen bezeichnet. Die Pflicht, die Welt zu erleuchten, ist die Philosophie, die die Juden allen Menschen vermitteln wollen: „Es liegt in der Natur des Lichtes, dass andere Menschen, die in der Nähe sind, ebenfalls profitieren, wenn wir ein Licht für uns anzünden“, erklärt Nachum Presman, der auch der Rabbiner der jüdischen Gemeinde in Potsdam ist.

Aufgeregt wie alle Kinder dieser Welt an besonderen Festtagen wirbeln sein Sohn Menachem und seine Tochter Mirijam fröhlich um den Tisch herum, während die Mutter in der Küche für die festlichen Stunden noch reichlich zu tun hat. Dann endlich, als der Vater genug von der Geschichte des Lichterfestes erzählt hat, spielt die Familie das Dreidelspiel. Als Einsatz werden Nüsse oder kleine Münzen verwendet. „Juden spielen niemals um Geld“, betont der Rabbiner. Der Dreidel ist halb Kreisel und halb Würfel. Auf seinen Flächen befinden sich vier hebräische Buchstaben. Sie sind zugleich Anfangsbuchstaben des Satzes „Ness Gadol Haja Scham“. Das heißt: „Ein großes Wunder geschah da.“

Zum Spielen, Musikhören und Erzählen werden die duftenden heißen Kartoffelpuffer serviert. Sie sind in Öl gebacken. Das Essen spielt allerdings während des Chanukka-Festes nicht so eine bedeutende Rolle wie in Deutschland zu Weihnachten. Es geht um das Licht – und um das Beisammensein. „Das jüdische Chanukka ist ein öffentliches Fest. Es wird nicht wie Weihnachten nur in der Familie und mit Gottesdiensten in der Kirche gefeiert, sondern auch in der Gemeinde“, erklärt Rabbiner Presman, der mit seiner Familie vor neun Jahren aus Israel nach Potsdam kam. Chanukka erinnert an die Wiedereinweihung des Jerusalemer Tempels im Jahr 165 vor unserer Zeitrechnung. Nach jüdischer Legende war dort nur ein kleiner Krug mit wenig Olivenöl erhalten geblieben. Dennoch reichte es auf wundersame Weise acht Tage lang.

Um die Geschichte der 2000 Jahre alten Tradition des Chanukka-Festes zu umreißen, muss Rabbiner Presman nicht in seine Bücher schauen. Eindrucksvoll stehen die etwa 600 Bände, mit Goldschrift und in Leder eingebunden, im Regal seiner Potsdamer Wohnung. Die Gesetze und die Philosophie des jüdischen Volkes hat der Rabbiner nicht einfach nur gelesen. Seine Aufgabe ist es, den Glauben täglich zu vermitteln. Bestimmt wird seine Mission als Rabbiner durch die weltweite jüdische Bewegung des von ihm verehrten letzten Lubawitscher Rebbe, dem Rabbiner Menachem Mendel Schneerson. Kindern die hebräische Sprache beizubringen gehört zu den Aufgaben dieser weltweiten Bewegung im Judentum. Zentren „Chabad Lubawitsch“ für jüdische Lehre und soziale Dienste gibt es in vielen Ländern.

In Potsdam leben heute mehr als 1000 jüdische Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion, denen die jüdische Religion aus verschiedenen Gründen fremd geworden sei, weiß der Rabbiner. Die jüdische Gemeinde der Stadt zähle aber mittlerweile rund 350 Mitglieder. „Ohne Religion“, so ist Presman überzeugt, „gibt es keine Zukunft.“ Deshalb sei es so wichtig, jungen Leuten die religiösen Traditionen bewusst zu machen. Eine Vermischung von Weihnachten und Chanukka, oftmals „Weihnukka“ genannt, lehnt Presman ab. Aber der Rabbiner betont: „Wir respektieren Weihnachten.“ jut

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