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Landeshauptstadt: Die Platte zwischen Entstehung und Zukunft

Ausstellung zu Neubaugebieten eröffnet, erste Pläne vom Zentrum-Ost mit Fußballstadion ausgehangen

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Mitglieder einer Jury, die den ersten Literatur-Stipendiaten Potsdams ausgewählt hatten, sowie Schreiben des städtischen Kulturamtes sorgten für die wohl größte Diskussion zum Für und Wider Potsdamer Plattenbauwohnungen und das soziale Ansehen deren Bewohner in den letzten Jahren. 14 Jahre nach dem Ende der staatlichen Fünf-Jahres-Pläne geriet die Stadt in eine gesellschaftspolitische Diskussion, deren Protagonisten das Kulturamt, die Jury sowie der Literat Andreas Maier waren. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob es einer Landeshauptstadt mitten in der Bewerbung zur Europäischen Kulturhauptstadt gut zu Gesicht steht, einen Stipendiaten, der vorher unter anderem im Künstlerschloss Wiepersdorf und im Künstlerhof Schreyahn residierte, in einem Neubauviertel wie den Schlaatz unterzubringen.

Gut 60 000 Potsdamern soll die ablehnende Haltung der Literatur-Jury gegen die Platte, die diese Unterbringung als nicht standesgemäß ansahen, im Jahr 2004 vor den Kopf gestoßen haben, äußerte sich die Beigeordnete Gabriele Fischer einst. Denn so viele Potsdamer würden in den Plattenbaugebieten der Stadt leben, über die gestern die Ausstellung „Potsdamer Platte im grünen Bereich“ eröffnet wurde. Konterfeis mit den Namen und Meinungen von Baustadträten und Stadtplanern hängen auf grünen Bändern quer durch die Ausstellung gespannt, die auf Kiesboden im Schaufenster der Fachhochschule in der Friedrich- Ebert-Straße seit gestern zu sehen ist. Ausgerechnet in einem DDR-Plattenfunktionsbau, der demnächst der historischen Stadterneuerung weichen muss. Es ist einer der wenigen Plattenbauten in Potsdam, die der Abrissbirne zum Opfer fallen werden. Denn unter der Regie des Baustadtrates Detlef Kaminski (1990 bis 1998) wurde die Entscheidung gefällt, keine Platten abzureißen und sie mit Fördermitteln und Eigenkapital zu sanieren. Heute sieht es Kaminski, der zur Ausstellungseröffnung kam, als sein Verdienst an, die öffentliche Förderung entgegen aller Widerstände durchgesetzt zu haben. Mehr als eine Milliarde Euro sind seit dem Ende der Bauarbeiten am jüngsten Wohngebiet Drewitz in die Sanierung gesteckt worden, etwa 200 Millionen Euro seien öffentliche Fördergelder für den Stadtumbau gewesen, hieß es gestern.

Die Ausstellung zeigt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Plattenbaugebiete. Sei es die Waldstadt I und Zentrum Süd als erste Nachkriegsprojekte oder die ursprüngliche Planung des Zentrum-Ost, angelehnt an das Märkische Viertel und mit einem Fußballstadion versehen. Die zwischen 1960 und 1991 entstandenen Gebiete, laut dem gestern anwesenden Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) später auch „Arbeiterschließfächer“ genannt, sind immer wieder Bestandteil politischer Diskussion. Denn die Bevölkerung in den Gebieten hat seit 1990 abgenommen, das soziale Gleichgewicht drohte Ende der 90er-Jahre zu kippen: der Leerstand allein am Schlaatz lag bei zehn Prozent.

Inzwischen gelten die Gebiete als nahezu komplett saniert. Der Wohnungsleerstand liegt bei etwa zwei Prozent und die Zufriedenheit der Bewohner ist laut einem Bericht der Stadtverwaltung deutlich gestiegen. Mehr als ein Drittel der Potsdamer wohnen in den Gebieten, seit der Jahrtausendwende sei der Trend des Wegzuges gestoppt worden. Weitere Eckdaten aus dem Bericht zur Lage der Neubaugebiete: Die Zahl der Alg-II-Empfänger liegt über dem städtischen Durchschnitt, die Mehrzahl der in Potsdam lebenden Ausländer wohnen in den Gebieten, die Wahlbeteiligung lag zuletzt unter dem Durchschnitt, in einigen Wohngebieten liegt das Alter unter dem städtischen Durchschnitt und knapp 40 Prozent der Haushalte mit Kindern leben in einem der Neubaugebiete. Platzeck, früherer Oberbürgermeister, hielt jedoch fest, dass in Potsdam tatsächlich ein Stadtumbau, kein Stadtrückbau wie andernorts stattgefunden habe. jab

Die Ausstellung „Potsdamer Platte im grünen Bereich“ im Schaufenster der FH Potsdam, Friedrich-Ebert-Str. 6, ist bis zum 22. Juni täglich zwischen 11 und 19 Uhr zu besichtigen. Der Eintritt ist frei.

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