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Landeshauptstadt: „Die Potsdamer stören in Potsdams Parks“

Vier Mitglieder der Bürgerinitiative Babelsberger Park über die Parkordnung, fragwürdige Argumente der Schlösserstiftung und rabiate Parkwächter

Stand:

Wie sieht das derzeitige Verhältnis von Bürgerinitiative und Stiftung Preußische Schlösser und Gärten aus?

Matthias Riedinger: Da ist Bewegung zu erkennen. Die Fronten sind nicht starr, wir können uns austauschen. Die Stiftung sucht den Dialog.

Niklas Wanke: Es gibt immer zwei Gesichter. Wir erleben die Stiftung sowohl durch ihre Mitarbeiter als auch durch die Sprecher und Direktoren. Im persönlichen Kontakt als Initiative funktioniert es. Über die Medien scheint es eher auf Konfrontation hinauszulaufen, weil man uns dort vorwirft, wir wollen nur egoistische Interessen durchsetzen. Man nimmt uns nicht als Gruppe sondern als einzelne war, die nur Individualinteressen vertreten.

Gabriele Wagner: In der öffentlichen Diskussion geht eine sehr starke Polarisierung von der Schlösserstiftung aus. Da wird behauptet, dass wir Grillen im Park, Skaten im Park oder andere wilde Aktionen unterstützen.

Wann haben Sie das letzte Mal mit Vertretern der Stiftung gesprochen?

Matthias Riedinger: Vor vier Wochen bei einem Parkspaziergang mit Gartendirektor Michael Rohde. In unsere Richtung wurde dabei etwas Neues proklamiert: Fahrradfahren gehört nicht in den Park! Egal ob das nun schädigend ist oder nicht, der Park ist ein Museum, so die Begründung.

Ina Seiler: Uns wurde noch einmal ganz deutlich gesagt, dass die Stiftung nicht mehr offen sei für noch mehr Zugeständnisse. Die Liegewiese hier im Park Babelsberg sei die größte Liegewiese, die es in Potsdam gibt und das muss reichen. Dann wurde noch einmal darauf hingewiesen, dass die jetzigen Maßnahmen seitens der Stiftung nur ein Testlauf sind. Es kann sogar sein, dass das Radfahren Ende des Jahres gar nicht mehr erlaubt ist.

Matthias Riedinger: Wie sie alle Zugeständnisse zurücknehmen kann.

Haben Sie denn zum jetzigen Zeitpunkt den Eindruck, dass die Stiftung sich nicht mehr bewegen will?

Gabriele Wagner: Ja.

Matthias Riedinger: Beides. Zum einen wird gesagt: Stopp, wir können nicht weiter und werden auch nicht weiter gehen. Daneben gibt es ein paar kleine Zugeständnisse wie neue Papierkörbe und Bänke, so nach dem Motto: Zuckerbrot und Peitsche.

Sie haben gerade den Vorwurf angesprochen, dass die Bürgerinitiative Babelsberger Park nur bestimmte, egoistische Interessen vertrete. Für welche Interessen steht denn die Bürgerinitiative?

Niklas Wanke: Interessen für eine verträgliche Nutzung. Es geht uns nicht darum, hier im Park alles zu dürfen. Wir wollen den Park so nutzen, dass er noch als Museum oder Kulturdenkmal geachtet wird. Das muss aber nicht bedeuten, dass man keine Wiese mehr betreten oder mit dem Fahrrad keinen der Wege benutzen kann, die dadurch überhaupt keinen Schaden nehmen. Aber das Argument, Radfahrer würden die Wege zerstören, ist mittlerweile vom Tisch. Jetzt sagt die Stiftung, dass sie Radfahrer als Bildstörer sehe und sie deswegen nicht mehr im Park haben will.

Radfahrer stören nur der Optik wegen?

Matthias Riedinger: Der Originalton von Gartenbaudirektor Rohde war wirklich, die Fahrradfahrer stören das Bild im Park. Das heißt, die Potsdamer stören in Potsdams Parks. Und wenn man weiß, dass alles hier mit Steuergeldern bestritten wird, das Geld der Stiftung ebenso wie die Gehälter, dann stimmt hier etwas Grundsätzliches nicht.

Gabriele Wagner: Da fragt man sich wirklich, wer hier die Alleininteressen von wem vertritt.

Matthias Riedinger: Da kommt das Gefühl in einem hoch, dass da auch viel Willkür im Spiel ist. Die Stiftung wird ja nicht reglementiert. So könnte sie auch sagen, die dürfen Fahrrad fahren und die nicht. Unser Motto: Für ein lebendiges Denkmal, sagt ja, dass wir wollen, dass der Park erhalten bleibt. Wir wollen aber auch, dass das bürgernah bleibt und bestimmte Nutzungen weiterhin möglich sind. Und beides verträgt sich.

Gehört zu dieser verträglichen Nutzung auch das Rodeln im Winter?

Matthias Riedinger: Ja, auf ausgewiesenen Flächen. Nicht überall darf das erlaubt sein, das ist schon klar. Aber wo sollen die Kinder es denn sonst tun? Sollen sie die Straße runterfahren auf die nächste Hauptstraße?

Gabriele Wagner: Die haben sonst gar keine andere Möglichkeit.

Niklas Wanke: Oder sie lassen sich quer durch die Stadt chauffieren.

Die Schlösserstiftung argumentiert mit ihrem Auftrag, das Denkmal Park zu erhalten und dass sie so keine Spielräume für Zugeständnisse hat. Wie beurteilen Sie diese Art von Denkmalschutz?

Gabriele Wagner: Die erste Frage ist ja, wer hier was festlegt. Die Unesco, die immer wieder wegen des Weltkulturerbestatus genannt wird, kümmert sich nicht um die interne Gestaltung von Parkordnungen. Gutes Beispiel ist ja das Strandbad, das schon da war, als der Park zum Unesco-Welterbe erklärt wurde. Das Problem ist, dass die Stiftung als Stiftung ihr Eigentum verwaltet und selbst kontrolliert. Das ist undemokratisch.

Matthias Riedinger: Und damit entzieht sich das alles dem Bürger.

Niklas Wanke: Diese fragwürdige Konstruktion wurde ja auch vom Richter im Prozess um das Strandbad angemahnt.

Was spricht gegen diese Konstruktion?

Gabriele Wagner: Die Stiftung verfolgt so ihr Individualinteresse das Denkmal zu schützen. Aber das Denkmal nur um des Denkmals Willen kann es unseres Erachtens nicht geben. Dass der Erhalt dieses Parks mit seiner Vielfalt und Struktur kostenintensiv ist, das ist klar. Aber mit mehr Verboten bekommt man nicht mehr Geld. Und wenn etwa Radfahren für den Park schädlich ist, dann soll das bitteschön auch nachgewiesen werden.

Matthias Riedinger: Auf der einen Seite stören Radfahrer das Bild. Auf der anderen Seite fahren hier auch Reisebusse durch, für die es plötzlich Ausnahmegenehmigungen gibt. Und wenn man dann fragt, wie sich das mit der Optik verträgt, herrscht betretenes Schweigen.

Ina Seiler: Stiftungsdirektor Hartmut Dorgerloh hat mal gesagt, dass bei allem was dem Park gut tut, er mit sich reden lasse. Mittlerweile verstehe ich das so, dass alles was Geld bringt, darüber kann man mit ihm reden. Aber da wir kein Geld bringen, warum soll er da noch eine weitere Liegewiese genehmigen?

Ist der Denkmalschutz, also der Erhalt des Gartendenkmals, nur ein vorgeschobenes Argument?

Gabriele Wagner: Auch. Es ist aber ein Problem, dass die Denkweise von Menschen, die sich ausschließlich mit Denkmälern beschäftigen, eine andere, eine eigene ist. Aber die sind eine Stiftung, werden durch öffentliche Gelder finanziert, wollen aber jetzt wie ein Privatunternehmen agieren. Und dabei verliert die Stiftung aus den Augen, dass der Babelsberger Park im Einklang mit den Bürgern die hier wohnen zu sehen ist. Auf das Argument wollte die Stiftung gar nicht eingehen, dass der Park in Babelsberg anders zu bewerten ist als die übrigen Parks der Stiftung. Dafür gibt es sachliche Gründe.

Die da wären?

Gabriele Wagner: Dass dieser Park von Touristen weniger frequentiert wird. Dass Teile dieses Parks mal als Volkspark im Grundbuch gestanden haben, also von der Historie her der Park anders angelegt war. Dieser Park ist von seiner gesamten Konzeption ein andere als der Neue Garten oder der Park Sanssouci.

Matthias Riedinger: Ich habe mal bei der Stiftung nachgefragt, ob es irgendwelche Statistiken darüber gibt, wie hoch bei Besuchen der touristische Anteil und wie hoch der der Anwohner ist. So etwas gibt es nicht.

Ina Seidel: Eine Schadensbilanz gibt es auch nicht. Die kommen uns immer mit Schäden und den Kosten, aber belegen können die das nicht.

Gibt es trotzdem Verständnis für das Anliegen der Stiftung, das Denkmal zu schützen?

Gabriele Wagner: Auf jeden Fall. Wir wissen das als Babelsberger hier auch zu schätzen. Es geht uns überhaupt nicht darum, dass hier jeder machen kann was er will. Aber ich glaube, vordergründig wird seitens der Stiftung etwas erzählt, um eine Rechtfertigung für diese Maßnahmen zu haben. Und dann kommt Stück für Stück raus, dass die Fahrradfahrer grundsätzlich nicht erwünscht sind. Das finde ich unangemessen.

Was unternimmt die Bürgerinitiative für den Erhalt des Babelsberger Parks?

Niklas Wanke: Ich glaube die öffentliche Diskussion hilft momentan dem Park sehr. Viele machen sich jetzt Gedanken darüber, was sie selbst tun können.

Matthias Riedinger: Wir haben vor ein paar Monaten eine Müllsammelaktion gemacht. Solche Dinge werden wir wiederholen. Wir wollen die Menschen hier im Park auch darauf aufmerksam machen, selbst Verantwortung zu übernehmen.

Niklas Wanke: Wir sollten uns aber nicht zu sehr auf die Seite ziehen lassen, dass wir den Park erhalten müssen. Das ist nicht unsere Aufgabe. Wir haben ein Interesse daran und tragen mit der öffentlichen Diskussion dazu bei. Aber der Schutz und der Erhalt ist Aufgabe der Stiftung. Wir dürfen uns nur nicht so sehr die Butter vom Brot nehmen lassen, wie es derzeit geschieht mit den rigorosen Barrieren und Verboten

Wie sieht die Arbeit der Bürgerinitiative derzeit aus?

Gabriele Wagner: Wir sammeln weiter Unterschriften. Dann planen wir noch eine Fahrraddemo, wir wollen mit Infoständen präsent sein. Und wir müssen versuchen, dass weitere Gespräche mit der Stiftung zustande kommen.

Matthias Riedinger: Es gibt eine Sammlung geplanter Aktionen, die wir jetzt aber erst sortieren müssen. Wichtig ist, dass wir uns auch mit anderen Initiativen in Potsdam vernetzen, um dem ganzen Anliegen mehr Druck zu verleihen. Wir müssen uns dafür stark machen, dass die Barrieren am Eingang zum Park wegkommen. Die sind eine Zumutung.

Wie ist die Bürgerinitiative eigentlich organisiert?

Gabriele Wagner: Das ist ein Phänomen. Es gibt keine Struktur und es funktioniert dennoch. Wir haben keine Vereinssatzung, es gibt einen engen Kreis von knapp 20 Leuten, die sich regelmäßig einmal in der Woche treffen. Im Internet diskutieren aber erheblich mehr Leute über dieses Thema.

Gibt es schon Erfolge durch das Engagement der Initiative?

Matthias Riedinger: Ja, dass wieder gebadet werden darf. Dass die Liegewiesen wieder genutzt werden können.

Gabriele Wagner: Die Fahrradteststrecke.

Matthias Riedinger: Was wir auch erreicht haben, die Politik ist jetzt sehr sensibel geworden.

Niklas Wanke: Zumindest vorübergehend. Mal sehen wie lange das anhält.

Erfahren Sie auch Kritik?

Ina Seidel: Ja auch. Dem einen passt das nicht, dem anderen das nicht. Wir versuchen, so viele Interessen wie möglich zu vertreten. Aber es kommen immer mal wieder Leute die sagen, ich mag nicht, dass hier die Hunde frei rumlaufen, ich mag nicht, dass hier Radfahrer unterwegs sind. Deshalb hatten wir auch überlegt, nur in bestimmten Bereichen Dinge zuzulassen. Der Park ist groß genug, so dass man hier alles machen kann. Es hat ja bisher auch immer funktioniert.

Am Anfang gab es innerhalb der Bürgerinitiative Diskussionen darüber, ob für Hunde im Park Leinenzwang herrschen soll oder nicht. Ist das immer noch ein Thema?

Ina Seidel: Eigentlich nicht.

Gabriele Wagner: Es gibt die Idee, dass es ein Hundeauslaufgebiet geben soll. Das muss es aber nicht in diesem Park geben. Das ist eine städtische Aufgabe.

Ina Seidel: Dann gibt es noch eine zeitliche Lösung, an die wir denken, wo in den Morgen- und Abendstunden Hunde nicht an der Leine geführt werden müssen.

Manchmal scheint es so, als hätten nur die Potsdamer ein Problem mit der Parkordnung.

Gabriele Wagner: Nein, was uns auch stört, ist das negative Image für Potsdam. Die Parkordnung betrifft nicht nur Potsdamer. Auch Touristen sind schon vom Fahrrad geholt worden und haben danach an uns geschrieben, dass sie uns unterstützen wollen. Das liegt auch an der Art und Weise des Auftretens, das von Stiftung natürlich anders dargestellt wird.

Wie erleben Sie die Parkwächter?

Niklas Wanke: Ich begegne ihnen mehrmals im Monat. Wenn man das Auftreten der Parkwächter erlebt, die auch abkassieren, ist das äußerst unangenehm und imageschädigend.

Ina Seidel: Wenn ich mit meinem Hund unangeleint den Park betrete, komme ich mir vor wie ein Schwerverbrecher. Bei einem Spaziergang traf ich zwei Parkwächter und sofort hieß es: Hunde an die Leine, Sie wissen ja, das macht dann 15 Euro! Nicht einmal ein Guten Tag, ich wurde gleich vollgeblafft.

Matthias Riedinger: Meine Partnerin hat Ähnliches erlebt und wurde gleich von zwei dieser Schränke regelrecht eingekeilt. Dagegen steht dann die Aussage von Herrn Dorgerloh, dass die Parkwächter dahingehend geschult seien, aufzuklären und nicht gleich abzukassieren. Er propagiert immer die nicht aggressive Methode, doch das wahre Leben im Park sieht anders aus. So wie die mit den Leuten umgehen, das geht einfach nicht.

Niklas Wanke: Mir ist es sogar passiert, dass von Handschellen gefaselt wurde, wenn ich nicht sofort stehen bleibe. Da fragt man sich wirklich, wo man hier eigentlich ist.

Wie geht es jetzt weiter?

Niklas Wanke: Anlässlich des Battis-Berichts hatte Herr Dorgerloh gesagt, man kann Denkmalpflege nicht autoritär betreiben, nicht ohne Akzeptanz. Daran werden wir ihn messen.

Das Gespräch führte Dirk Becker

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