
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Die Puppenschneiderin
Brigitte Freudenberg und 29 Mitstreiter jobben im Arbeitslosenprojekt der Dekra für die Toys Company
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In den Räumen der Toys Company sieht es aus wie beim Weihnachtsmann – und das übers ganze Jahr. Spielzeug so weit das Auge reicht, manches noch ziemlich neu, anderes schon etwas zerliebt und manches sogar stark reparaturbedürftig. Es sind alles Spenden, die sich in der vierten Etage der Dekra-Akademie angesammelt haben. 30 Langzeitarbeitslose, manche schon seit Jahren Hartz-IV-Bezieher, haben sich in Spielzeugreparateure verwandelt und verhelfen ramponierten Teddies wieder zu Auge und Ohr, Büchern zu neuen Einbänden oder sie sehen nach, ob Spiele und Puzzles noch vollständig sind. Das Ganze geschieht im Rahmen eines Arbeitslosenprojektes von Dekra und der Potsdamer Arbeitslosenagentur Paga. Neben dem Arbeitslosengeld dürfen die gesetzlich zugestandenen 1,30 Euro pro Stunde verdient werden.
Brigitte Freudenberg, eine der 30 Projektteilnehmerinnen, sitzt an der Nähmaschine. Über bunten Stoffteilen lässt sie die Maschine rattern, um Puppen neu einzukleiden. Schneidern hat die 59-Jährige nicht gelernt, sie stellte vielmehr in Teltow elektronische Bauelemente her und montierte später in Babelsberg medizinische Geräte. Aber auch damit war 1991 Schluss. Danach griff sie zu, wo gerade jemand gebraucht wurde: als Hilfskraft in einer Ministeriums-Kantine, als Selbständige mit eigenem Verkaufsstand, als Reinigungskraft und nun ist sie die Frau, die Puppen anzieht. Gleichzeitig wurde sie auch noch Puppenmoden-Designerin. Als 1-Euro-Jobberin hat Freudenberg schon einmal beim Bildungswerk Futura an der Nähmaschine gesessen. Dort wurden unter anderem Theaterkostüme für Hortkinder genäht und dann den jungen Künstlern gespendet. „Damals hatten wir aber Schnittvorlagen“, erzählt sie und empfindet es als Herausforderung, nun für alles allein verantwortlich zu sein. „Es macht Spaß“, sagt sie, „die eigene Phantasie spielen zu lassen.“ Als Stoffe werden abgelegte Kleidungsstücke verwandt.
Die Teilnahme am Toys-Projekt, die erst einmal auf ein halbes Jahr befristet ist, möchte sie gern verlängern. Neben dem Spaß an der Arbeit ist es auch das Geld, dass die Puppenschneiderin gut gebrauchen kann. Ihr Lebensgefährte bezieht ebenfalls Hartz IV. Auch wenn die Kinder aus dem Haus sind, um zum Beispiel die Enkelin in Frankfurt am Main z besuchen zu können, muss aufs Bahnticket gespart werden. Urlaub macht Brigitte Freudenberg schon lange nicht mehr, vermisst das Reisen aber auch nicht. „Ich habe einen Hund und eine Katze und Urlaub machen wir im Kleingarten“, gesteht sie. Auf einen Job im ersten Arbeitsmarkt hofft die 59-Jährige schon lange nicht mehr, aber untätig will sie das auch nicht hinnehmen.
Ähnlich geht es vielen anderen der Projekt-Mitarbeiter. Für Henry Kahnisch war die Teilnahme am Spielzeugprojekt zum Beispiel die Rettung aus depressiver Unzufriedenheit. Bei der Arbeitsagentur sei er schlecht behandelt worden, sagt er. Er habe ein Attest und könne schwere Arbeiten nicht mehr übernehmen, sei aber immer wieder zu so etwas hingeschickt worden, ärgert sich der Fahrzeugschlosser. Hier sei er endlich richtig, findet er.
„Wir versuchen, unsere Projektteilnehmer für Bewerbungen am ersten Arbeitsmarkt fit zu machen“, sagt Projektleiter Ralf Reuter. Mitunter gelinge das auch. Selbst wenn es aber mit einer bezahlten Arbeit nicht klappe, das aufbereitete Spielzeug sei für Gruppen wie Familien ein echter Gewinn. Die Dekra unterhält deutschlandweit 60 solcher Toys Companys. In Potsdam ist es die erste, die am 2. Februar 2009 ihre Arbeit aufnahm. Das erneuerte Spielzeug geht an Kindereinrichtungen, kann aber von Bedürftigen auch am Möbelhof 5 in der Dekra-Akademie abgeholt werden und das Montag bis Freitag von 9 bis 16 Uhr. H. Dittfeld
H. Dittfeld
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