
© Manfred Thomas
Landeshauptstadt: Die Retter des Lustgartens ausgepfiffen
Strafanzeigen nach Konfrontation von Weisse-Flotte-Mitarbeitern und Gegnern des Flottenneubaus
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Innenstadt - Die Stimmung war aufgeheizt: Nach einem Aufeinandertreffen von Mitgliedern der Bürgerinitiative „Rettet den Lustgarten“ und Mitarbeitern der Weissen Flotte Potsdam bei einer Demonstration am Montagabend werden Vorwürfe laut. Lustgartenretter beschuldigen Flottenmitarbeiter, sie bedrängt und in ihrem Demonstrationsrecht eingeschränkt zu haben. Während die einen im Neptunbecken des Lustgartens schwimmende Lichter aussetzten, um damit gegen einen geplanten Servicebau der Flotte direkt an dem historischen Becken zu protestierten, führten die anderen Transparente mit der Aufschrift „Schluss mit lustig, es geht um unsere Arbeitsplätze!“ mit sich.
Wie es gegenüber den PNN hieß, seien die Lustgartenretter von den Flottenmitarbeitern regelrecht eingekesselt worden. Zudem hätten die Flottenmitarbeiter die Lustgarten-Freunde mit Trillerpfeifen, Martinshörnern und Fanfaren ausgepfiffen. Der Potsdamer CDU-Chef von Potsdam-West, Wieland Niekisch, sprach in einer Erklärung von einer „völlig deplatzierten Provokation“ durch die Weisse Flotte, wenn deren Mitarbeiter „in derart primitiver und herablassender Weise die begründeten Anliegen einer Bürgerinitiative niederbrüllen und niederpfeifen“. Ein Mann aus der Bürgerinitiative, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, sagte, beim Lärm sei die Schmerzgrenze überschritten worden. Die Situation habe kurz vor der Eskalation gestanden: „Ein Wunder, dass an diesem Abend nichts passiert ist, dass niemand die Nerven verloren hat.“ Durch die Umzingelung habe der Tatbestand der Freiheitsberaubung vorgelegen: „Das war ein körperlicher Angriff.“ Der Potsdamer, dessen Name den PNN bekannt ist, hat nach eigenen Angaben bei der Polizei zwei Anzeigen aufgegeben – gegen Unbekannt und gegen die Weisse Flotte. Zudem habe er Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Polizei erhoben, da diese am Montagabend nicht eingeschritten sei. Eine am Dienstag gestellte E-Mail-Anfrage der PNN an die Polizei blieb bis Mittwochabend unbeantwortet.
Die Gegner eines Flottenneubaus nach Entwürfen des Potsdamer Architekturprofessors Karl-Heinz Winkens werfen der Weissen Flotte ferner vor, ihre Gegendemonstration nicht angemeldet zu haben. Die Polizei sei lange davon ausgegangen, es nur mit einer Demonstration und nicht mit dem Aufeinandertreffen von Protagonisten unterschiedlicher Auffassungen zu tun zu haben. Dazu erklärte der Chef der Weissen Flotte, Jan Lehmann, am Mittwoch den PNN, er habe seine Demo am Montagabend direkt bei der Polizei vor Ort angemeldet. Zu den Vorwürfen der Lustgartenretter sagte Lehmann: „Da wurde niemand bedrängt.“ Richtig sei aber, dass seine Mitarbeiter ihren Unmut mit Trillerpfeifen Ausdruck verliehen hätten: „Es kann sein, dass es über 120 Dezibel waren.“ Lehmann weiter: „Die Polizei ist nicht eingeschritten, weil das gar nicht notwendig war.“ Die Retter des Neptunbeckens hätten auch die Möglichkeit gehabt, ihre Lichter schwimmen zu lassen.
Lehmann verwies ferner darauf, dass die Stadtverordneten den Winkel-Bau von Winkens mit Mehrheit beschlossen haben. Derzeit gebe es „intensive Gespräche“ mit dem Architekturbüro Dietz-Joppien, auf dessen Entwürfe zur Bundesgartenschau 2001 die Gestaltung des Lustgartens zurückgeht. Dietz-Joppien hatten eine Urheberrechtsklage angedroht, sollte der Lustgarten ohne Einvernehmen mit einem Neubau der Weissen Flotte bebaut werden. „Niemand hat Lust auf eine gerichtliche Auseinandersetzung“, sagte Lehmann, es gebe „die Möglichkeit einer Einigung“ mit den Architekten.
Vor der Demonstration traf sich die neu gegründete Bürgerinitiative im Hotel Mercure. Die Initiative ist stadtweit aufgestellt, zu ihr gehören Mitglieder der Nachbarschaftsinitiative Neuer Garten e.V. aus der Nauener Vorstadt, des Vereins Berliner Vorstadt e.V. und des Winzerberg-Vereins sowie des Stadtschlossvereins. Als Sprecherin stellte sich die Potsdamer Fotografin Monika Schulz-Fieguth vor. „Wir werden den Lustgarten beleben“, kündigte sie an. Geplant seien weitere Veranstaltungen in dem Areal. Gleichsam versicherte Schulz-Fieguth, es gehe nicht darum, der Weissen Flotte das Existenzrecht abzusprechen. Ziel sei es aber, die Umwandlung des Lustgartens „in ein privatwirtschaftliches Gewerbegebiet an der Havel“ zu verhindern. Die Weisse Flotte plant neben Büros und Besuchertoiletten auch den Bau eines Restaurants mit 200 Plätzen direkt am Neptunbecken.
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